Rechtsprechung

BAG zum Urlaubsrecht

aktualisiert am 22.03.2019

Das BAG hat insbesondere in den letzten Monaten einige wichtige Fragen des Urlaubsrechts zu beantworten gehabt:

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So ging es im Urteil vom 18.09.2018 unter 9 AZR 162/18 gleich um mehrere Fragen. Zusammenfassend stellte das BAG hier fest, dass

  • eine Arbeitgeberin auch ungeachtet eines anhängigen Kündigungsschutzverfahrens zur Urlaubsgewährung verpflichtet ist. Die Ungewissheit der Parteien über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses stünde dem nicht entgegen,
  • bei einer Regelung, die zu Lasten des Arbeitnehmers vom gesetzlichen Fristenregime beim Urlaub abweicht (z.B. in einer Ausschlussklausel) , der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub klar und deutlich ausgenommen werden muss - ansonsten wird ggf. die gesamte Ausschlussklausel unwirksam,
  • mehrstufige Ausschlussklauseln so transparent gestaltet werden müssen, dass der Arbeitnehmer sie auch verstehen kann (im entsiedenen Fall stellte die Klausel sowohl auf Zeitpunkte der Fälligkeit als auch der Anspruchsentstehung ab),
  • auch der  als Schadensersatz an die Stelle des erloschenen Urlaubsanspruchs tretende Ersatzurlaub  keinen Ausschlussfristen unterliegt (wie auch der Urlaubsanspruch).

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Mit Urteil vom 19. Februar 2019 - 9 AZR 541/15 - hat das BAG nun die Auffassung des EuGH zum Verfall von Urlaubsansprüchen übernommen. In der Pressemitteilung zu dem noch nicht veröffentlichten Urteil heisst es:

Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub erlischt in der Regel nur dann am Ende des Kalenderjahres, wenn der Arbeitgeber ihn zuvor über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat.

Arbeitgeber sind daher gut beraten, die Urlaubsansprüche ihrer Mitarbeiter im Blick zu behalten. Es ist sodann frühzeitig darauf hinzuweisen, dass der Urlaub auch genommen wird. Nur wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auch darüber belehrt, dass dessen Urlaub sonst verfällt, kann es tatsächlich noch zu einem Verfall von Urlaubsansprüchen kommen.

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 Am 19.03.2019 hat das BAG unter 9 AZR 315/17 entschieden, dass für die Berechnung des gesetzlichen Mindesturlaubs Zeiten eines unbezahlten Sonderurlaubs unberücksichtigt bleiben. Im hier entschiedenen Fall hatte ein Arbeinehmer über ein Jahr unbezahlten Sonderurlaub und verlangt für diese Zeit den gesetzlichen Mindesturlaub. Das BAG hat dies folgerichtig abgelehnt, da einem Arbeitnehmer für ein Kalenderjahr, in dem er sich durchgehend im unbezahlten Sonderurlaub befindet, mangels einer Arbeitspflicht kein Anspruch auf Erholungsurlaub zustehe. Das BAG hält damit nicht mehr an seiner bisherigen Rechtsprechung fest!

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Am 19.03.2019 hat das BAG  sodann ebenfalls zur Frage der Kürzung des Urlaubs während der Elternzeit zu entscheiden gehabt. Die  Kürzung des Urlaubs gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG steht nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts im Einklang mit dem Unionsrecht. Wir beobachten immer wieder, dass viele Arbeitgeber diese Möglichkeit gar nicht kennen. Für unsere Mitglieder stellen wir dazu Musterschreiben zur Verfügung.

 

 MdC

 

 

Nachtbereitschaftsdienst oder Nachtbereitschaftszeit ?

Das LAG Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 21.01.2019 – 1 Sa 9/18 – entschieden, dass ein Erzieher, der in einer Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe zur Nachtbereitschaft eingeteilt ist,  hierbei Bereitschaftsdienst im Sinne des § 4 Abs. 3 Anlage 33 der AVR des Deutschen Caritasverbandes leistet. Es handelt sich bei der Nachtbereitschaft nicht um Bereitschaftszeiten nach § 8 Abs. 1 Anlage 33 der AVR.

Da bislang keine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zur Nachtbereitschaft von Erziehern in den Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe vorliegt, hat die Kammer die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.

Wir werden hier weiter berichten, sobald das Verfahren in die nächste Runde geht.

Zu beachten ist, dass die AVR des Caritasverbandes zwischen Nachtdienst und Bereitschaftszeiten unterscheiden. Ob mit den Bereitschaftsdiensten zu der "traditionellen" Einteilung Vollarbeit - Arbeitsbereitschaft - Bereitschaftszeit bald noch eine weitere Kategorie hinzukommt bleibt abzuwarten.

MdC

Anm. vom 11.04.2019: Mittlerweile liegt die Entscheidung im Volltext vor.

 

Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz

Der (arbeitsrechtliche) Gleichbehandlungsgrundsatz ist gewohnheitsrechtlich als Grundprinzip des deutschen Arbeitsrechts anerkannt und ist eine eigene Anspruchsgrundlage. Der Gleichbehandlungsgrundsatz bedeutet, dass Gleiches gleich und Ungleiches entsprechend seiner Eigenart ungleich zu behandeln ist. Daraus ergibt sich, dass keine (willkürliche)  Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer erfolgen darf.

Bei einer "fremden" Verpflichtung, die sich auch aus einem Tarifvertrag ergeben kann, handelt der Arbeitgeber aber nicht willkürlich, daher findet der Grundsatz bei tariflichen Regelungen keine Anwendung.

BAG v. 18.10.2018 - 6 AZR 300/17

Tarifliche Ausschlussfristen

Kurzinfo:

Tarifliche Ausschlussfristen dienen der Rechtssicherheit. Der Anspruchsgegner soll sich darauf einstellen können, was von ihm ggf. noch verlangt wird. Diese Regelung dient der Planbarkeit und soll verhindern, dass Ansprüche auch lange Zeit später noch geltend gemacht werden können.

Auch dieses Urteil des BAG bietet nichts grundsätzlich Neues und bestätigt die bisherige Linie. Wer nicht lange suchen will: Die Passage findet sich in Rd. 53 des Urteils

 

Kündigung nach Abmahnung

Kurzinfo:

Eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses ist dann unwirksam, wenn die Vorwürfe bereits abgemahnt und als Kündigungsvorwurf verbraucht sind. Ein Auflösungsantrag hat keinen Erfolg im Falle von Vorwürfen, die deutlich in der Vergangenheit liegen und das Arbeitsverhältnis danach fortgesetzt worden ist.

Die Entscheidung des LAG Düsseldorf knüpft damit an die ohnehin schon bekannte Rechtsprechung an. Eine Revision wurde nicht zugelassen.

Betriebsvereinbarung zu Personalgesprächen

Kurzinfo:

Eine Regelung in einer Betriebsvereinbarung, nach der ein Arbeitgeber zu einem Personalgespräch, das er mit einem Arbeitnehmer führt, bevor er aufgrund eines diesem vorgeworfenen Fehlverhaltens eine arbeitsrechtliche Maßnahme ergreift, gleichzeitig auch den Betriebsrat zu laden hat, ist nach § 75 Abs. 2 BetrVG unwirksam.

Dies hat das BAG mit Beschluss vom 11. Dezember 2018 entschieden.

Arbeitszeitverlängerung durch Bezugnahme auf den TVöD?

Da Bereitschaftszeiten arbeitsschutzrechtlich Arbeitszeit i.S.d. Arbeitszeitgesetzes sind, werden in der Praxis der Jugendhilfe von nicht tarifgebundenen Einrichtungen häufiger Versuche unternommen, eine Verlängerung der wöchentlichen Arbeitszeit (einschließlich der Bereitschaftszeiten!) über 48 Stunden hinaus durch die Bezugnahme auf Tarifverträge zu erreichen. Die Versuche werden in 2 Varianten unternommen:

1. Verweis auf den Tarifvertrag öffentlicher Dienst im Ganzen oder zumindest auf einzelne Regelungen (in diesem Fall Arbeitszeit) gemäß § 7 Abs. 3 Satz 1 / Satz 2 ArbZG

2. Verweis auf den Tarifvertrag öffentlicher Dienst gemäß § 7 Abs. 3 Satz 3 ArbZG

Beide Versuche sind indes zum Scheitern verurteilt, da eine Bezugnahme auf die Arbeitszeitregelungen des öffentlichen Dienstes in der ersten Variante bereits deshalb misslingt, da private Träger der Kinder- und Jugendhilfe nicht Mitglied im Arbeitgeberverband VKA werden können und somit bereits der Geltungsbereich der tarifvertraglichen Regelungen nicht gegeben ist. Zum fehlenden Geltungsbereich hatte das BAG dazu bereits in einem Urteil aus 2011 (BAG 3 AZR 154/09 v. 19.04.2011, allerdings nicht zur Arbeitszeit sondern zum BetrAVG) ausgeführt: "Der TVöD gilt jedoch nach § 1 nur für Beschäftigte, die in einem Arbeitsverhältnis zum Bund oder zu einem Arbeitgeber stehen, der Mitglied eines Mitgliedsverbandes der VKA ist. Um einen solchen Arbeitgeber handelt es sich bei dem Bekl. nicht. Der Bekl. hat nach § 3 der Satzung des Kommunalen Arbeitgeberverbandes Bayern nicht die Möglichkeit, Mitglied in diesem Verband zu werden."

Insofern scheitern Bezugnahmen der ersten Variante bereits am fehlenden Geltungsbereich. Unabhängig davon stehen bestimmte Arbeitszeitregelungen des TVöD unter dem Vorbehalt einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung, so dass für betriebsratslose Unternehmen eine Bezugnahme auf solche Regelungen ohnehin nicht möglich ist.

Die Variante 2 war dagegen jüngst Inhalt der Entscheidung des BAG vom 20.11.2018 - 9 AZR 327/18. Hier hatte eine Unternehmen des Rettungsdienstes eine Verlängerung der Arbeitszeit auf Grundlage des § 7 Abs. 3 Satz 3 ArbZG versucht. Das BAG stellte hier allerdings klar, dass öffentliche Zuwendungen nun einmal etwas anderes sind als Entgelte: "Zuwendungen iSv. § 7 Abs. 3 Satz 3 ArbZG können somit nicht aufgrund gegenseitiger Verträge, in denen die Erbringung von Leistungen gegen Entgelt vereinbart wird, gewährt werden". Insofern scheidet eine solche Variante auch für Jugendhilfeträger aus, da Leistungsentgelte gemäß §§ 78 a ff. SGB VIII keine Zuwendungen im Sinne des Haushaltsrechts sind. 

Auch hier muss unabhängig davon noch gesagt werden, dass eine Bezugnahme gemäß § 7 Abs. 3 Satz 3 ArbZG ohnehin keine Verlängerung der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit über 48 Stunden hinaus ermöglicht hätte, da diese Regelung unter die Begrenzung von § 7 Abs. 8 ArbZG fällt.

Es bleibt daher dabei, dass eine Ausweitung der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit über 48 Stunden hinaus nur auf Grund eines Tarifvertrages möglich ist, dessen Geltungsbereich für die privaten Träger der Kinder- und Jugendhilfe geschaffen worden ist - so wie der Tarifvertrag des AGVPK.

 

28.02.2019 MdC

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Arbeitgeberverband privater Träger
der K
inder- und Jugendhilfe e.V.

Nikolaiwall 3

27283 Verden

Tel 04231 - 95 18 412

Mail: info@ag-vpk.de

Internet: www.ag-vpk.de

 

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