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Und nochmal: Zum Beweiswert einer AU

Dass der Beweiswert einer AU (Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung) erschüttert werden kann, hat insbesondere das BAG 2021 in einer wichtigen Entscheidung hervorgehoben. Auch das LAG Niedersachsen folgt dem in einem aktuellen Urteil (Urt. v. 08.03.2023, Az.: 8 Sa 859/22). Im hier vorliegenden Verfahren unterlag jedoch der Arbeitgeber. Zusammengefasst werden kann das Urteil in 3 Leitsätzen:

  • Der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kann grds. auch dadurch erschüttert werden, dass der Arbeitnehmer sich im Falle des Erhalts einer arbeitgeberseitigen Kündigung unmittelbar zeitlich nachfolgend - "postwendend" - krank meldet bzw. eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung einreicht. Das gilt insbesondere dann, wenn lückenlos der gesamte Zeitraum der Kündigungsfrist - auch durch mehrere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen - abgedeckt wird.

  • Meldet sich zunächst der Arbeitnehmer krank und erhält er erst sodann eine arbeitgeberseitige Kündigung, fehlt es an dem für die Erschütterung des Beweiswertes der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung notwendigen Kausalzusammenhang.

  • Allein die Tatsache, dass ein Arbeitnehmer bis zur Beendigung eines Arbeitsverhältnisses arbeitsunfähig krankgeschrieben ist, am unmittelbar darauffolgenden Tag gesundet und bei einem anderen Arbeitgeber zu arbeiten beginnt, erschüttert in der Regel ohne Hinzutreten weiterer Umstände den Beweiswert von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nicht.

     

     

 

Familienhelfer als selbständige Tätigkeit

Erfolgreich in einem Statusfeststellungsverfahren war jüngst die Stadt Langenhagen in einem Verfahren (Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urt. v. 17.03.2023, Az.: L 2 BA 38/21), in dem es um die Frage der selbstständigen Tätigkeit von Familien- bzw. Erziehungshelfern im Rahmen von SPFH ging.

Die Deutsche Rentenversicherung hatte die Tätigkeit als Beschäftigungsverhältnis eingestuft und in der ersten Instanz auch Erfolg gehabt. Das LSG hob die Entscheidung nun auf. Interessant aus der Begründung ist auch der Leitsatz der Entscheidung:

"Liegt das vereinbarte Honorar deutlich über dem Arbeitsentgelt eines vergleichbar eingesetzten sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und lässt es dadurch Eigenvorsorge zu, stellt dies dann ein gewichtiges Indiz für eine selbständige Tätigkeit dar, wenn im Übrigen der Sachverhalt dem Grenzbereich zwischen einer abhängigen Beschäftigung und einer selbständigen Tätigkeit zuzurechnen ist."

Nun ist allein das Honorar kein Freibrief und die Einordnung als selbstständige oder aber abhängig beschäftigte Tätigkeit bedarf einer umfassenden Einzelfallprüfung. Insbesondere in vielen "Sozialberufen" können Tätigkeiten sowohl in einem Beschäftigungsverhältnis als auch selbstständig ausgeübt werden. Empfehlenswert ist deshalb immer (!) eine entsprechende Statusfeststellung durchzuführen.

 

 

Nachtarbeitszuschläge in Tarifverträgen

Das BAG hat in einem aktuellen  Urteil (.22.02.2023 - 10 AZR 397/20) entschieden, dass die tarifvertragliche Unterscheidung von Nachtzuschlägen im Rahmen von Wechselschicht einerseits und für sonstige Nachtarbeit andererseits nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstößt. Tarifvertragliche Regelungen stellen nach Auffassung des BAG einen angemessenen Ausgleich für die Belastungen durch Nachtarbeit dar und haben Vorrang vor dem gesetzlichen Ausgleichsanspruch nach § 6 Abs. 5 ArbZG. 

Eine Entscheidung, die noch einmal die besondere Stärke der Tarifautonomie und die damit verbundenen Gestaltungsspielräume darstellt.

Zur Abgrenzung von Rufbereitschaft

Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat in einer aktuellen Entscheidung (Urteil v. 24.03.2023, az 26 K 787/21) die Einordnung von sog. "Alarmbereitschaften" als Arbeitszeit bei einem Feuerwehrbediensteten abgelehnt und sich damit -zumindest teilweise- gegen die bisherige REchtsprechung des BVerwG gestellt.

Im Leitsatz führt das VG aus:

"Als Alarmbereitschaft von zu Hause aus geleisteter Hintergrunddienst eines Feuerwehrbeamten stellt nicht automatisch Arbeitszeit (im Sinne der RL 2003/88/EG) dar, auch wenn der Betroffene im Falle einer Alarmierung "sofort" ausrücken muss und die wahrzunehmenden Einsätze durch ihre Unvorhersehbarkeit geprägt sind (abweichend bzgl. des letztgenannten Aspekts BVerwG, Beschluss vom 1. Dezember 2020 - 2 B 38.20 -).2. Es bedarf bei Zugrundelegung der Maßstäbe des Gerichtshofs der Europäischen Union vielmehr einer Gesamtbeurteilung aller Umstände des Einzelfalls (vgl. EuGH, Urteil vom 11. November 2021 - C-214/20 ). Dabei müssen erstens die Konsequenzen beachtet werden, die sich aus der Kürze der auferlegten Reaktionsfrist für die Möglichkeiten des Beamten ergeben, seine Zeit frei zu gestalten; insoweit sind auch die dem Beamten während der Alarmbereitschaft auferlegten Einschränkungen und die ihm gewährten Erleichterungen in die Würdigung einzustellen. Zweitens muss berücksichtigt werden, wie oft der Beamte im Durchschnitt während der Alarmbereitschaftszeiten alarmiert wird (vgl. insbes. EuGH, Urteile vom 9. März 2021 - C-344/19 -, und - C-580/19 -)."

Die ansonsten konsequente Argumentation lässt hoffen, dass dieses Verfahren noch einmal in eine höhere Instanz kommt.

25.04.2023 MdC

Beweiswert einer AU

"Der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist dann erschüttert, wenn nach Maßgabe eines verständigen Arbeitgebers belastbare Tatsachen vorhanden sind, die erhebliche Zweifel an der tatsächlichen Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers belegen."

So lautet der Leitsatz einer aktuellen Entscheidung des LAG Mecklenburg-Vorpommern (Urteil v. 8.02.2023, az 3 Sa 135/22).

Das ist nicht neu, da bereits das BAG vor einiger Zeit entsprechend geurteilt hat (siehe hier).

Das LAG kam im vorliegenden konkreten Verfahren allerdings nicht zu dem Ergebnis, dass der Beweiswert der AU trotz einiger Indizien, die der Arbeitgeber hier vorgetragen hatte, erschüttert wurde.

25.04.2023 MdC

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