Rechtsprechung

Außervollzugsetzung der einrichtungsbezogene Impfpflicht vom Bundesverfassungsgericht abgelehnt

Mit dem heute veröffentlichtem Beschluss (1 BvR 2649/21)  hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt, mit dem die Beschwerdeführenden begehrten, den Vollzug von § 20a und § 73 Abs. 1a Nr. 7e bis 7h Infektionsschutzgesetz (IfSG) („einrichtungs- und unternehmensbezogene Nachweispflicht“) vorläufig auszusetzen.

Die einrichtungsbezogene Impfpflicht tritt damit wie geplant in Kraft.

Dennoch gab es auch bei den Verfassungsrichtern Zweifel an einigen Passagen der gesetzlichen Regelung, die auch wir schon bemängelt haben, nämlich der Verweis im Gesetz auf die Regelungen des RKI bzw. PEI (Paul-Ehrlich-Instituts). Solche Verweise schaffen neben den bestehenden rechtlichen Bedenken auch erhebliche Anwendungsschwierigkeiten in der Praxis. In der Entscheidung des BVerfG heisst es dazu:

"Zwar begegnet die Einführung einer einrichtungs- und unternehmensbezogenen Nachweispflicht in § 20a IfSG als solche unter Berücksichtigung der in diesem Verfahren eingeholten Stellungnahmen vor allem der sachkundigen Dritten zum Zeitpunkt dieser Entscheidung keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Es bestehen aber jedenfalls Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der in § 20a IfSG gewählten gesetzlichen Regelungstechnik. Es handelt sich hier um eine doppelte dynamische Verweisung, da zunächst der Gesetzgeber auf die COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung verweist, die ihrerseits aber dann zur Konkretisierung der Anforderungen an den vorzulegenden Impf- oder Genesenennachweis auf Internetseiten des Paul-Ehrlich-Instituts und des Robert Koch-Instituts verweist. Insoweit stellt sich die Frage, ob und inwieweit eine bindende Außenwirkung der dynamisch in Bezug genommenen Regelwerke der genannten Bundesinstitute hier noch eine hinreichende Grundlage im Gesetz findet (vgl. BVerfGE 129, 1 <22, 25 ff.>). Sollte dies der Fall sein, bedarf es weiterer Aufklärung, ob und inwieweit ein tragfähiger Sachgrund auch dafür vorliegt, dass nicht dem Verordnungsgeber selbst die Konkretisierung des vorzulegenden Impf- oder Genesenennachweises und damit auch der geimpften und genesenen Personen im Sinne des Gesetzes übertragen ist, sondern dies den genannten Bundesinstituten überlassen wird."

Wir werden uns nun aber zunächst mit genau dieser Gesetzeskonstruktion beschäftigen und in der Praxis umsetzen müssen. Um die damit verbundenen Fragen zu klären, werden wir neben den Infolettern auch eine Videokonferenz für Fragen anbieten, die ab kommender Woche unter der Rubrik "Fortbildung" zu finden sein wird.

11.02.2022

MdC

Erneutes BEM in der Jahresfrist?

Der Arbeitgeber hat grundsätzlich ein neuerliches bEM durchzuführen, wenn der Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres nach Abschluss eines bEM erneut länger als sechs Wochen durchgängig oder wiederholt arbeitsunfähig erkrankt war.

BAG Urteil v. 18.11.2021, AZ 2 AZR 138/21

02.02.2022 MdC

Kein Individualanspruch auf ein BEM

Über das betriebliche Eingliederungsmanagement haben wir bereits öfter berichtet, vor allem im Zusammenhang mit personenbedingten ("krankheitsbedingten") Kündigungen. Jedem Arbeitgeber ist, auch unabhängig von der hohen kündigungsschutzrechtlichen Relevanz, die Durchführung eines BEM anzuraten. Führt der Arbeitgeber allerdings kein BEM durch, hat der Arbeitnehmer keinen (Individual-) Anspruch auf die Durchführung - so das BAG in einer aktuellen Entscheidung v. 7.09.2021, Az. 9 AZR 571/209 AZR 571/20.

2.02.22 MdC

Mindestpersonalbesetzung nicht mitbestimmungspflichtig

Vor über einem Jahr hatten wir bereits auf den "Dauerstreit" hingewiesen, in dem es darum geht, ob ein Betriebsrat bei der Mindestpersonalbemessung mitbestimmen kann - oder eben nicht.

Das LAG Hamburg hatte eine Mitbestimmung bejaht. Die Entscheidung wurde nun vom BAG gekippt. Wir werden vermutlich im Laufe des Jahres wieder auf dieses Dauerthema zurückkommen.

2.2.22 MdC

Wegezeit in der Rufbereitschaft nicht zwangsläufig Arbeitszeit

Der VGH München hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, ob die Wegezeiten bei einer Inanspruchnahme innerhalb der Rufbereitschaft Arbeitszeit sind.

Im seinem Leitsatz führte der VGH dazu aus:

"Die Zeit, die ein Arbeitnehmer im Rahmen einer Rufbereitschaft nach dem Abruf für den Weg zum Einsatzort und zurück aufwendet, ist nicht generell (ohne Berücksichtigung der konkreten Ausgestaltung der Rufbereitschaft) „Arbeitszeit“ im Sinne von § 2 Abs. 1 ArbzG bzw. Art. 2 Nr. 1 RL 2003/88/EG."

Der Regierung von Schwaben /Gewerbeaufsicht hatte als Beklagte in diesem Fall vom Kläger erwartet, dass dieser "...bis spätestens einem Monat nach Bestandskraft des Bescheides durch Vorlage geeigneter Unterlagen zu bestätigen, dass die Wegezeiten bei Inanspruchnahme im Rufbereitschaftsdienst als arbeitsschutzrechtliche Arbeitszeiten gewertet und aufgezeichnet werden."

Der Kläger ging erfolgreich gegen diesen Bescheid vor.

Im weiteren Urteil führt der VGH auf, dass "...die Frage  auch keiner grundsätzlichen Klärung zugänglich (wäre) , weil sich eine generelle Aussage dahingehend, dass „Wegezeiten“ im Rahmen eines („abgerufenen“) Rufbereitschaftsdienstes stets Arbeitszeit sind, nicht treffen lässt. Es käme darauf an, wie im Einzelfall der Rufbereitschaftsdienst ausgestaltet ist, insbesondere auch darauf, wieviel Zeit dem Arbeitnehmer bleibt, um sich zum Einsatzort zu begeben (vgl. EuGH, U.v. 9.3.2021 - C-580/19 - juris Rn. 48).

Insofern orientiert sich der VGH bei der Beurteilung der Frage, ob hier tatsächlich Arbeitszeit vorliegt, an den grundsätzlichen Bewertungen  des EuGH zur Rufbereitschaft.

10.01.2022 MdC

Kürzung des Urlaubs in der Elternzeit

Mit der Kürzungsmöglichkeit des Arbeitgebers für Urlaub in der Elternzeit hat sich das LAG Baden-Württemberg beschäftigt.

In den Leitsätzen führt es dazu aus:

"1. Das Fristenregime der §§ 24 Satz 2 MuSchG und 17 Abs. 2 BEEG geht § 7 Abs. 3 BUrlG vor,

2. Die Anpassung des Urlaubsanspruchs nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG an die durch die Elternzeit ausgesetzte Arbeitspflicht (Kürzungsrecht) bedarf einer rechtsgeschäftlichen Erklärung des Arbeitgebers, die dem/der Arbeitnehmer/in noch während des Bestands des Arbeitsverhältnisses zugehen muss (Anschluss an BAG 19. März 2019 - 9 AZR 495/17 -),

3. Die rechtsgeschäftliche Erklärung kann im Einzelfall auch in der Übersendung einer abschließenden Entgeltabrechnung liegen, die den Urlaubsanspruch in Abweichung zu vorangegangenen und dem/der Arbeitnehmer/in zugegangenen Abrechnungen mit "Null" ausweist."

Das insodern stimmige Urteil sollte aber nicht als Freibrief verstanden werden. Eine Kürzungserklärung sollte, insbesondere für den Fall eines späteren Streits, schriftlich erfolgen.

 

Ausschlussklauseln in Arbeitsverträgen

Das LAG Baden-Württemberg hat sich mit Ausschlussklauseln in Arbietsverträgen befasst. In seiner Entscheidung vom 24.08.2021 (AZ 19 Sa 7/21) führt es aus:

"Eine allgemeine Geschäftsbedingung in einem Arbeitsvertrag, die eine Verfallfrist/Ausschlussfrist zum Gegenstand hat, ist nicht deshalb intransparent nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB und unwirksam, weil sie Ansprüche aus ihrem Anwendungsbereich nicht ausdrücklich ausnimmt, deren Erfüllung der Arbeitgeber zugesagt oder die er anerkannt oder streitlos gestellt hat. "

Die Entscheidung ist insofern zu begrüßen, als dass die Rechtsprechung  zu Ausschluss- bzw. Verfallklauseln bislang eher restriktiv ist.

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Nikolaiwall 3

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