Rechtsprechung

Vergütung von Arbeitsbereitschaft im Tarif des DW

Wie schwierig tarifvertragliche Regelungen zur Arbeitszeit sein können, das zeigt eine aktuelle Entscheidung  des Bundesarbeitsgerichts vom 21. November 2024, die sich mit der Vergütung von Arbeitsstunden, Überstunden und Wechselschichtzulagen im Kontext eines Arbeitsverhältnisses im Rettungsdienst im Geltungsbereich der AVR eines Diakonisches Werkes beschäftigt. 

Das BAG kam zu dem Ergebnis, dass wenn ein Arbeitgeber die bei ihm geltenden kirchlichen Arbeitsvertragsrichtlinien mit einer uneingeschränkten Bezugnahmeklausel in das Arbeitsverhältnis einbezieht, nach außen erkennbar wird, dass das Arbeitsverhältnis umfassend nach diesen Regelungen gestaltet werden soll. In diesem Fall bedürfe es für die Annahme, mit weiteren Regelungen des Arbeitsvertrags solle eine - konstitutive - Besser- oder Schlechterstellung gegenüber diesen AVR vereinbart werden, besonderer Anhaltspunkte.
Maßgeblich ging es dann aber um die Frage der Vergütung von Arbeitsbereitschaft. Die hier einbezogenen AVR des Diakonischen Werkes Berlin-Brandenburg-Oberlausitz unterscheiden nach Auffassung des BAG vergütungsrechtlich nicht zwischen Vollarbeit und Arbeitsbereitschaft.Der klagende Rettungsassistent argumentierte daher erfolgreich, dass seine in Form von Arbeitsbereistchaft geleisteten Mehrarbeitsstunden voll vergütet werden müssten.

Eine unterschiedliche Vergütung von Vollarbeit und Arbeitsbereitschaft sei nach Auffassung des BAG zwar möglich, doch hätte dies in den AVR auch konkret geregelt werden müssen.

Das Urteil zeigt einmal mehr, wie wichtig Vergütungsregelungen für unterschiedliche Formen von Arbeitszeit sind. Dies gilt im Übrigen auch nicht nur für Tarifverträge und AVR, sondern für jedes Arbeitsverhältnis. Nicht tarifgebundene Arbeitgeber sollten daher immer darauf achten, Bereitschaftszeiten, Arbeitsbereitschaften und Rufbereitschaften zu unterscheiden und differenzierte Vergütungsregelungen zu treffen.

3.06.2025 MdC

Probezeitkündigung während der Arbeitsunfähigkeit

Probezeitkündigung während der Arbeitsunfähigkeit – Geht das?

Es ist bekannt, dass die Probezeit im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses eine "besondere Zeit" ist. Sie dient dazu, dass beide Seiten sich gegenseitig "beschnuppern" sollen. Auf Seiten des Arbeitgebers bedeutet dies v.a., dass er/sie sich mittels einer Kündigung mit einer üblichen Frist von 14 Tagen vom Arbeitsvertrag lösen kann, ohne dass für die Kündigung ein Grund vorliegen muss. 

Das ist aber nur der Grundsatz und der ist auch soweit klar. Spannend sind allerdings diejenigen Fälle, die die sog. Ausnahme vom jeweiligen Grundsatz bilden. So hatten das Arbeitsgericht Frankfurt Am Main in 1. Instanz und das LAG Hessen in 2. Instanz zu entscheiden, ob eine Probezeitkündigung während der Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers ein Maßregelverbot nach § 612a BGB darstellt und die Kündigung damit unwirksam ist.

(LAG Hessen v. 28.3.2025 - 10 SLa 916/24)

Was war geschehen?

In dem Kündigungsverfahren wollte ein Arbeitnehmer vom Gericht festgestellt wissen, dass eine Probezeitkündigung während einer Arbeitsunfähigkeitserkrankung ein Maßregelverbot nach § 612a BGB darstelle und die Kündigung damit unwirksam sei. 

Klar ist, dass wegen der Wartezeit nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG), die Schutzvorschriften des KSchG nicht gelten. Eine Unwirksamkeit kann allerdings i.Ü. immer dann vorliegen, wenn die Kündigung gegen geltendes Gesetz verstößt. Hier kommt ein möglicher Verstoß gegen § 612a BGB, dem sog. Maßregelverbot, in Betracht.  Das Maßregelungsverbot nach § 612a BGB besagt -verkürzt gesagt-, dass ein Arbeitnehmer vor Sanktionen des Arbeitgebers immer dann zu schützen ist, wenn dieser seine Rechte in zulässiger Weise ausübt. Vorliegend war der Arbeitnehmer der Ansicht, die Kündigung verstoße gegen das Maßregelungsverbot nach § 612a BGB, weil dieser sein Recht auf bezahlte Freistellung wegen Arbeitsunfähigkeit ausübe und sein Arbeitgeber ihn deswegen mit der ausgesprochenen Kündigung sanktioniere.  

Die Entscheidung

Mit Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BAG stellt das LAG Hessen klar, das ein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB vorliegen könnte, wenn ein Arbeitnehmer eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegt, da er damit sein Recht geltend macht, nicht zur Arbeit erscheinen zu müssen und der Arbeitgeber ihm daraufhin kündigt, um sich der Lohnfortzahlung wegen Krankheit zu entziehen (BAG v. 20.5.2021 - 2 AZR 560/20).

Diesen Umstand haben die beiden Instanzen hier nicht festgestellt. Es fehle der erkennbare Kündigungswille des Arbeitgebers, um sich von der Lohnfortzahlung wegen Arbeitsunfähigkeit zu befreien. Hierfür seien zu wenige Anhaltspunkte ersichtlich gewesen, so die Richter.

23.05.2025 O.K.

Kündigung per Einwurfeinschreiben erfolglos

Mit Urteil vom 30. Januar 2025 – 2 AZR 68/24 hat das BAG sich noch einmal mit der Zustellung einer Kündigung per Einwurfeinschreiben befasst. Die Anforderungen an den Nachweis des Zugangs sind hoch.

Bei einfachen Briefen besteht kein Anscheinsbeweis für den Zugang der Sendung. Auch die Vorlage des Einlieferungsbelegs eines Einwurf-Einschreibens begründet nach Auffassung des BAG keinen Anscheinsbeweis für den Zugang der Sendung beim gewollten Empfänger des Einwurf-Einschreibens. Der Ausdruck des online abgerufenen Sendungsstatus, auf dem dieselbe Sendungsnummer wie auf dem Einlieferungsbeleg sowie das Zustelldatum vermerkt sind, bietet ebenfalls keine ausreichende Gewähr für einen Zugang.

Der Nachweis der Zustellung ist damit für Arbeitgeber stark erschwert. Es bietet sich deshalb immer die persönliche Übergabe gegen Empfangsbekenntnis an oder der persönliche Einwurf unter Zeugen, am besten dokumentiert. Zumindest sollte man ´, wenn man dennoch das Einschreiben wählt,  die Reproduktion des Auslieferungsbelegs  bei der Post anfordern.

 

Arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz

Aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz ergibt sich regelmäßig kein Anspruch auf eine höhere Vergütung, wenn die Arbeitgeberin später eingestellten, mit gleichen Aufgaben betrauten Arbeitnehmern ein deutlich höheres Gehalt zahlt als einem zuvor eingestellten Arbeitnehmer, insbesondere dann nicht, wenn die neu eingestellten Arbeitnehmer über höherwertigere Berufsabschlüsse oder größere Berufserfahrung verfügen.

Landesarbeitsgericht MVP, 28.01.2025, AZ 5 SLa 159/24

Annahmeverzugslohn und fristlose Kündigung

Der Arbeitgeber, der ein Arbeitsverhältnis verhaltsbedingt  fristlos aus wichtigem Grund nach § 626 Abs. 1 BGB kündigt, gibt zu erkennen, dass ihm eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht länger zumutbar ist. Sofern der Arbeitgeber trotzdem sein Annahmeverzugslohnrisiko durch das Angebot einer Prozessbeschäftigung mindern, muss er dem/der  Arbeitnehmerin  diese aber in jedem Fall anbieten.

Die Zumutbarkeit für den Arbeitnehmer hängt dann aber  in erster Linie von der Art der Kündigung und ihrer Begründung sowie dem Verhalten des Arbeitgebers im Kündigungsschutzprozess ab.

Wird eine Kündigung auf verhaltensbedingte Gründe gestützt, spricht dieser Umstand eher für die Unzumutbarkeit der vorläufigen Weiterarbeit für den Arbeitnehmer im Betrieb.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15. Januar 2025 – 5 AZR 135/24

Arbeitszeitrecht bei mehrtägigen Dienstreisen

Ein neues  Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. September 2024 (Az: 2 C 19.23) befasst sich mit der arbeitszeitrechtlichen Einordnung eines mehrtägigen Einsatzes der Bereitschaftspolizei. Der Kläger, ein Polizeihauptmeister, forderte, dass die Zeiten zwischen den (auswärtigen!) Einsätzen, die als Ruhezeit betrachtet wurden, zur Hälfte auf seine Arbeitszeit angerechnet werden. Das Gericht wies die Revision des Klägers zurück und entschied, dass diese Zeiten nicht als Arbeitszeit oder Bereitschaftsdienst anzurechnen sind, da der Kläger während dieser Zeiten keinen erheblichen Einschränkungen unterworfen war.

In den Leitsätzen des BVerwG lautet es dazu:

1. Das unionsrechtliche Arbeitszeitrecht, das lediglich die Kategorien Arbeits- und Ruhezeit kennt, hindert den nationalen Normengeber nicht, eine Zeit während einer mehrtägigen Dienstreise, die unionsrechtlich lediglich Ruhezeit ist, wegen der damit für den Beamten verbundenen Einschränkungen (ganz oder teilweise) auf das Arbeitszeitkonto anzurechnen.

2. Der Begriff der "Wartezeit" in § 13 Abs. 3 ThürPolAzVO a. F. erfasst bei einer mehrtägigen Dienstreise im Rahmen eines geschlossenen Einsatzes der Bereitschaftspolizei nicht den Zeitraum zwischen dem Ende der dienstlichen Tätigkeit oder der Reise an einem Tag und dem Beginn der dienstlichen Tätigkeit oder der Reise an einem anderen Tag.

 

Auf die beamtenrechtlichen BEsonderheiten soll hier nicht weiter eingegangen werden; gleichwohl sah das Gericht hinsichtlich der europäischen Arbeitszeitrichtlinie in diesem Verfahren auch keine Arbeitszeit während der (auswärtigen) Unterbringung zwischen den EInsätzen. Der Kläger war während dieser dienstfreien Zeit keinen erheblichen Beschränkungen unterworfen. Die Polizisten waren nicht verpflichtet, sich während der dienstfreien Zeit in dem vom Dienstherrn zur Verfügung gestellten Hotel aufzuhalten; vielmehr konnten sie das Hotel ohne vorherige Erlaubnis verlassen und ihre Zeit nach eigenem Belieben gestalten. Außerhalb der Einsatzzeit bestand kein Alkoholverbot, außerdem mussten die Beamten während der hier fraglichen Zeiten nicht erreichbar sein.

Auch wenn das Urteil beamtenrechtlich noch einmal gesondert zu bewerten ist, so lassen sich doch auch einige Schlüsse für die Kinder- und Jugendhilfe ziehen. Insbesondere bei Ferienfreizeiten stellt sich immer wieder die Frage, ob die "auswärtige Zeit" nicht Arbeitszeit sei.  Wir haben dies als Verband immer bestritten, da Arbeitszeit stets voraussetzt, dass in dieser Zeit auch tatsächlich gearbeitet wird oder aber zumindest eine Bereitschaftsregelung greift. Sofern keine Anordnung erfolgt, ist auch im Feriengebiet keine Arbeitszeit gegeben, so lange die Mitarbeitenden nicht "Dienst" oder "Bereitschaft" haben. Gleichwohl empfiehlt sich immer eine gute Regelung auf Augenhöhe, so wie wir es immer in unseren Seminaren vermitteln.

11.11.2024 MdC

 

Gestaltung von Ruhepausen: BAG lässt flexible Bedingungen zu!

Verlangen betriebliche Erfordernisse eine flexible Festlegung der Pausen, ist der in § 4 Satz 1 ArbZG vorgesehenen Anforderung des „im Voraus feststehend“ nach Auffassung einer aktuellen Entscheidung des BAG (Urt. v. 21.08.24, Az 5 AZR 266/23) auch dann genügt, wenn der Arbeitnehmer jedenfalls zu Beginn der Pause weiß, dass und wie lange er nunmehr zum Zwecke der Erholung Pause hat und frei über die Nutzung dieses Zeitraums verfügen kann.

DerKläger hatte hier erfolglos versucht, die Pausenzeiten als Arbeitszeit darzustellen, da er im Pausenraum  immer in "Hab-Acht-Stellung" gewesen sei.

Das BAG führte dazu jedoch aus:

"Die Ruhepause iSv. § 4 ArbZG ist arbeitszeitrechtlich Ruhezeit (...). Art. 2 Nr. 1 der Arbeitszeit-RL definiert den Begriff Arbeitszeit als „jede Zeitspanne, während der ein Arbeitnehmer … arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt“. In Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie wird der Begriff Ruhezeit negativ definiert als „jede Zeitspanne außerhalb der Arbeitszeit“. Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union schließen beide Begriffe einander aus. Für die Zwecke der Anwendung der Arbeitszeit-RL ist eine Zeitspanne entweder als Arbeitszeit oder als Ruhezeit einzustufen, weil die Richtlinie keine Zwischenkategorie vorsieht (...). Unter den Begriff Arbeitszeit iSd. Arbeitszeit-RL fallen solche Zeitspannen, während deren dem Arbeitnehmer Einschränkungen von solcher Art auferlegt werden, dass sie seine Möglichkeit, die Zeit frei zu gestalten und sich seinen eigenen Interessen zu widmen, objektiv gesehen ganz erheblich beeinträchtigen (...). Erreichen die Einschränkungen keinen solchen Intensitätsgrad und erlauben diese es dem Arbeitnehmer, über seine Zeit zu verfügen und sich ohne größere Einschränkungen seinen eigenen Interessen zu widmen, liegt keine Arbeitszeit für die Zwecke der Anwendung der Richtlinie vor (...)."

Im Streitfall hatte der Kläger – außer der subjektiven Befindlichkeit einer „Hab-Acht-Stellung“, in der er sich beim Aufenthalt in der Kantine während der streitgegenständlichen Pausen wegen des dortigen Monitors befunden haben will – nicht einmal ansatzweise Tatsachen vorgetragen, die die Annahme rechtfertigen könnten, er habe seine Pausen zwingend in der Kantine und dort mit Blick auf den Monitor verbringen müssen und ihm seien für die dort verbrachten Pausenzeiten von der Beklagten Einschränkungen von solcher Art auferlegt worden, dass sie seine Möglichkeit, die Zeit frei zu gestalten und sich seinen eigenen Interessen zu widmen, objektiv gesehen ganz erheblich beeinträchtigten. Entsprechende Anweisungen der Beklagten hat der Kläger nicht nur nicht vortragen, vielmehr in der Berufungsverhandlung zu Protokoll erklärt, es habe weder eine Verpflichtung bestanden, sich während der Pause in der Kantine aufzuhalten, noch sei er im Falle einer am Monitor angezeigten Störung verpflichtet gewesen, „dass er von selbst an der Maschine erscheine“. Er hat auch für keinen einzigen Monat des Streitzeitraums eine Pause benannt, die er auf Anordnung eines Vorgesetzten zur Behebung einer Störung an einer Maschine ab- bzw. unterbrechen musste. Die Gesamtwürdigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls (dazu BVerwG 13. Oktober 2022 – 2 C 7.21 – Rn. 21 ff., BVerwGE 176, 382) ergibt damit, dass dem Kläger in den Ruhepausen keine Einschränkungen auferlegt waren, die ihn objektiv hinderten, sich zu entspannen und Tätigkeiten nach eigener Wahl zu widmen.

Das hier entschiedene Verfahren ist mit nicht unerheblicher Relevanz für die Kinder- und Jugendhilfe. Insbesondere Pausenzeiten dürfen nicht dazu genutzt werden, indirekt doch eine Art von "Notfallbereitschaft" einzurichten. Eine Pause ist nun einmal Pause und bleibt es auch. Einzig in Tarifverträgen kann von den starren Pasuenregelungen des Arbeitszeitgesetzes abgewichen werden. In den Tarifverträgen unseres Arbeitgeberverbandes haben wir davon Gebrauch gemacht und können deshalb -immer unter Berücksichtigung des Gesundheitsschutzes- auch Pasuenzeiten während geeigneter Alleindienste ermöglichen. Einrichtungen ohne Tarif können dies nicht. Hier kann zwar ein flexibler Pausenbeginn eingerichtet werden (so das BAG in diesem Urteil), aber eine Aufsichtspflicht darf dann nicht mit der Pause verbunden werden.

 

11.11.24 MdC

 

 

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