Rechtsprechung

Tarifverträge und deren grundrechtlicher Schutz gem. Art. 9 Abs. 3 GG

"Tarifliche Entgeltregelungen sind stets ein Kompromiss zwischen den kollidierenden Vorstellungen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern über die Wertigkeit einer bestimmten Tätigkeit. Das Aushandeln von Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ist jedoch gerade Aufgabe der insoweit sachnahen Tarifvertragsparteien und von Art. 9 Abs. 3 GG geschützt. Der Schutzbereich von Art. 12 Abs. 1 GG ist gegenüber tariflichen Entgeltregelungen daher erst eröffnet, wenn sie den existentiellen Kern der Berufsfreiheit betreffen."

So lautete etwas lapidar der Leitsatz des BAG in seiner Entscheidung vom 5.10.23 (6 AZR 333/22).

Gut für tarifgebundene Arbeitgeber, die deshalb darauf vertrauen können, dass die in Tarifverträgen festgelegten Arbeitsbedingungen bestehen bleiben, bis ein neuer Tarifabschluss erfolgt. Im hier entschiedenen Fall hat eine Arbeitnehmerin erfolglos die Höhe ihres tarifvertraglichen Entgelts (Tarifvertrag öffentlicher Dienst) angezweifelt.

 

07.03.24 MdC

 

 

 

Ordentliche Kündigung im Kleinbetrieb und Maßregelungsverbot

Wenn ein Arbeitgeber im Kleinbetrieb eine Kündigung auf Unstimmigkeiten und Probleme im zwischenmenschlichen Umgang im Betrieb stützt, ist dies auch vor dem Hintergrund des Maßregelverbots aus § 612a BGB nicht zu beanstanden. Im Kleinbetrieb trägt die Arbeitnehmerin die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des § 612a BGB.

Mit dieser Entscheidung schließt das LAG Köln (Urteil v.  23.01.2024 - 4 Sa 389/23) an die ständige Rechtsprechung des BAG an.

 

7.03.24 MdC

Beweiswert einer AU - neue Entscheidung vom BAG

Der Beweiswert einer AU ist seit rund 2 Jahren immer wieder mal Thema von arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzungen.

Nach einem aktuellen Urteil des BAG (Urteil vom 13. Dezember 2023 – 5 AZR 137/23) kann der Beweiswert von (Folge-)Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen erschüttert sein, wenn der arbeitsunfähige Arbeitnehmer nach Zugang der Kündigung eine oder mehrere Folgebescheinigungen vorlegt, die passgenau die Dauer der Kündigungsfrist umfassen, und er unmittelbar nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine neue Beschäftigung aufnimmt.

Es kommt aber, wie so oft, auf den Einzelfall an.

06.03.2024 MdC

Urlaubsrecht zum x-ten

Dass das Urlaubsrecht durch die Abhängigkeit vom europäischen Recht nicht verständlicher geworden ist, dass zeigen die Entscheidungen von BAG und EuGH der letzten 10 Jahre.

Das hessische LAG hat sich mit Urteil v. 6.10.2023 (10 Sa 126/23 SK) jetzt noch einmal mit dem Verfall von Urlaubsansprüchen bnei langandauernden Erkrankungen beschäftigt und in 4 Leitsätzen zusammengefasst:

1. Ist ein Arbeitnehmer durchweg arbeitsunfähig erkrankt, verfällt sein Urlaubsanspruch 15 Monate nach Ende des Jahres, in dem der Urlaubsanspruch entstanden ist. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber seinen Hinweispflichten, dass der Urlaub zur Vermeidung des Verfalls bis zum Ende des Jahres zu nehmen ist, nicht nachgekommen ist.
2. Diese Rechtsgrundsätze sind auch zu beachten, wenn ein Arbeitnehmer gegenüber der ULAK, einer gemeinsamen Einrichtung der Tarifvertragsparteien, Ansprüche auf Urlaubsabgeltung geltend macht.
3. Die Grundrechte - und damit auch Art. 3 GG - gelten für die Tarifvertragsparteien nicht unmittelbar. Ihnen steht bei der Normsetzung ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Es ist deshalb nicht zu beanstanden, wenn die Tarifvertragsparteien des Baugewerbes in § 8 Ziff. 5.2 BRTV vom 28. September 2018 einen Entschädigungsanspruch für verfallene Urlaubsabgeltungsansprüche im Falle von erkrankten Arbeitnehmern ausgeschlossen haben.
4. Die Tarifparteien im Baugewerbe haben mit Wirkung ab dem 1. Januar 2023 für den Fall von erkrankten Arbeitnehmern einen Abgeltungs- bzw. Entschädigungszeitraum von insgesamt 18 Monaten vorgesehen und gleichzeitig eine Übergangsregelung mit einem Stichtag geregelt. Den Tarifvertragsparteien steht es aufgrund ihres weiten Ermessensspielraums auch zu, solche Stichtagsregelungen wirksam zu vereinbaren.

Musiktherapeutin und Sozialversicherungspflicht

Dass MusiktherapeutInnen auch freiberuflich tätig sein können, zeigt aktuell die Entscheidung des LSG Baden-Württemberg vom 17.11.23 (Az L 8 BA 1926/22).

Im hier entschiedenen Fall ging es um die Versicherungspflicht einer Musiktherapeutin, die ihre Leistungen aufgrund eines Honorarvertrags im Umfang von bis zu drei Unterrichtsstunden wöchentlich in einer Jugendeinrichtung erbracht hat.

Es kommt aber, wie in allen Fällen der Statusfeststellung, immer auf den Einzelfall an. Dies zeigt auch eine aktuelle BSG - Entscheidung, aus der hervorgeht, dass selbst sog. "Pool-Ärzte" nicht automatisch selbstständig tätig sind.

 

 

Umgehung des Mindestlohns durch Aufteilung von EInmalzahlungen?

Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 11.01.2024 (Aktenzeichen: 3 Sa 4/23) geklärt, dass die Zweifelsregelung in § 271 Abs. 2 BGB  es einem Arbeitgeber nicht gestattet, eine dem Arbeitnehmer bisher zustehende jährliche Einmalzahlung wie Urlaubs- oder Weihnachtsgeld kraft einseitiger Entscheidung stattdessen in anteilig umgelegten monatlichen Teilbeträgen zu gewähren, um sie pro rata temporis auf den gesetzlichen Mindestlohn anrechnen zu können.

 

Rufbereitschaft bei Beamten

Das VG Schleswig-Holstein (Urteil v. 11.12.2023, 12 A 190/20) hat sich mit der Abgrenzung von Rufbereitschaften und Bereitschaftsdiensten bei Beamten auseinandergesetzt.

Nach Auffassung des VG liege Bereitschaftsdienst im Sinne der EZulV SH 2014 nur dann vor, wenn der Beamte sich an einem vom Dienstherrn bestimmten Ort außerhalb des Privatbereichs zu einem unverzüglichen Einsatz bereitzuhalten hat. Dies sei in diesem Fall nicht so gewesen, obwohl der Beamte den potenziellen Einsatzort jederzeit innerhalb von 15 Minuten zu erreichen hatte.

Ob sich diese Auffassung halten wird ist fraglich. Zwar fallen Beamte nicht unter das Arbeitszeitgesetz, aber die europäische Rechtsprechung hat dies  in der Vergangenheit deutlich anders gesehen und die Regularien der europäischen Arbeitszeitrichtlinie auch auf Beamte angewandt. Eine Rufbereitschaft mit derart kurzer Einsatzreaktionszeit dürfte spätestens in der nächsten Instanz in Frage gestellt werden.

 

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