Rechtsprechung

Keine Beschäftigung für Impfverweigerer

Beschäftigte im Pflege- und Gesundheitssektor, die sich nicht impfen lassen möchten, darf der Arbeitgeber freistellen. So entschied es als erstes Arbeitsgericht das ArbG Gießen (Urt. v. 12.04.2022, Az.: 5 Ga 1/22 und 5 Ga 2/22).Die Kommentierung folgt nach Ostern

Bereitschaftsdienst und SNF-Zuschläge

Aufhebungsverbot - Gebot des fairen Verhandelns

Ein Aufhebungsvertrag kann nach Auffassung des BAG (Urteil vom 24. Februar 2022 – 6 AZR 333/21) unter Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns zustande gekommen sein.

Ob das der Fall ist, ist anhand der Gesamtumstände der konkreten Verhandlungssituation im jeweiligen Einzelfall zu entscheiden. Allein der Umstand, dass der Arbeitgeber den Abschluss eines Aufhebungsvertrags von der sofortigen Annahme seines Angebots abhängig macht, stellt für sich genommen keine Pflichtverletzung gemäß § 311 Abs. 2 Nr. 1 iVm. § 241 Abs. 2 BGB dar, auch wenn dies dazu führt, dass dem Arbeitnehmer weder eine Bedenkzeit verbleibt noch der Arbeitnehmer erbetenen Rechtsrat einholen kann.

 

Kündigung einer ungeimpften Mitarbeiterin

Ein Arbeitgeber darf in einem Musicalbetrieb ein "2G-Modell" durchsetzen und einer Darstellerin, die über keine Corona-Schutzimpfung verfügt, noch vor Vertragsbeginn kündigen - so das Urteil v. 03.02.2022, Az. 17 Ca 11178/21 des ArbG Berlin.

Der Arbeitgeber kann nach Auffassung des Gerichts als Ausdruck seiner unternehmerischen Entscheidungsfreiheit das „2G-Modell“ als allgemeingültiges Anforderungsprofil für alle Arbeitsplätze im Betrieb durchsetzen. Wenn dies mit der höchstpersönlichen Entscheidung der Klägerin, sich nicht impfen zu lassen, unvereinbar sei, liegt keine Maßregelung vor.

Der Ausschluss nicht geimpfter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verstößt nach Auffassung des ArbG Berlin auch nicht gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG).

Die (tägliche) Vorlage eines negativen Corona-Test würde die Betriebsabläufe stärker beeinträchtigen. Vor allem bestünde nach Auffassung des Gerichts wegen der strengeren Quarantäneregelungen für nicht geimpfte Personen ein höheres Risiko für einen Arbeitsausfall. Die Arbeitnehmerin  könne daher auch nicht verlangen, dass der Arbeitgeber ein Schutzkonzept umsetzen muss, das einen höheren Kosten- und Personalaufwand verursache. Neben der unternehmerischen Handlungsfreiheit der Arbeitgeberinnen sei auch die körperliche Unversehrtheit der übrigen Belegschaft zu berücksichtigen.

In dieser interessanten Entscheidung des Arbeitsgerichts Berlin sind eine Reihe von Argumenten zu finden, die auch für Jugendhilfeeinrichtungen Geltung beanspruchen könnten.

 

Eingruppierung von Hausmeistern im öffentlichen Dienst

Wie schwierig manchmal die Eingruppierung sein kann, zeigt eine Entscheidung des LAG Hessen (7 Sa 1252/20)7 Sa 1252/20) vom 2.8.2021, in der es um die Eingruppierung eines (Schul-) Hausmeisters ging.

Der bislang in die EG (Entgeltgruppe)  5 des TVöD-VKA eingruppierte Hausmeister klagte erfolgreich seine Eingruppierung in die EG 7 ein, da zu seinen Aufgaben u.a. auch die Konfiguration der Schließ- und Brandmeldeanlagen gehört, was als Heraushebungsmerkmal im TVöD-VKA eine höhere Eingruppierung rechtfertige.

Die Entscheidung ist gleich aus mehreren Gründen lesenswert. Das Gericht fasst in der Entscheidung an mehreren Stellen die Rechtsprechung zur Tarifauslegung zusammen und geht dezidiert auf typische Begrifflichkeiten des Tarifwerkes ein (z.B. "Heraushebungsmerkmale", "Arbeitsvorgänge" etc.). Da zudem der Entscheidungsaufbau auch mit seinen Ausführungen zur Auslegung im Wortsinne und zur sog. "systematischen Auslegung" überzeugt, kann das Urteil als Wochenendlektüre empfohlen werden.

Praktische Relevanz dürfte die Entscheidung im Übrigen auch für viele Jugendhilfeeinrichtungen haben, da die Bewertung von Hausmeistertätigkeiten erfahrungsgemäß stark schwankt.

11.02.2022

MdC

Außervollzugsetzung der einrichtungsbezogene Impfpflicht vom Bundesverfassungsgericht abgelehnt

Mit dem heute veröffentlichtem Beschluss (1 BvR 2649/21)  hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt, mit dem die Beschwerdeführenden begehrten, den Vollzug von § 20a und § 73 Abs. 1a Nr. 7e bis 7h Infektionsschutzgesetz (IfSG) („einrichtungs- und unternehmensbezogene Nachweispflicht“) vorläufig auszusetzen.

Die einrichtungsbezogene Impfpflicht tritt damit wie geplant in Kraft.

Dennoch gab es auch bei den Verfassungsrichtern Zweifel an einigen Passagen der gesetzlichen Regelung, die auch wir schon bemängelt haben, nämlich der Verweis im Gesetz auf die Regelungen des RKI bzw. PEI (Paul-Ehrlich-Instituts). Solche Verweise schaffen neben den bestehenden rechtlichen Bedenken auch erhebliche Anwendungsschwierigkeiten in der Praxis. In der Entscheidung des BVerfG heisst es dazu:

"Zwar begegnet die Einführung einer einrichtungs- und unternehmensbezogenen Nachweispflicht in § 20a IfSG als solche unter Berücksichtigung der in diesem Verfahren eingeholten Stellungnahmen vor allem der sachkundigen Dritten zum Zeitpunkt dieser Entscheidung keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Es bestehen aber jedenfalls Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der in § 20a IfSG gewählten gesetzlichen Regelungstechnik. Es handelt sich hier um eine doppelte dynamische Verweisung, da zunächst der Gesetzgeber auf die COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung verweist, die ihrerseits aber dann zur Konkretisierung der Anforderungen an den vorzulegenden Impf- oder Genesenennachweis auf Internetseiten des Paul-Ehrlich-Instituts und des Robert Koch-Instituts verweist. Insoweit stellt sich die Frage, ob und inwieweit eine bindende Außenwirkung der dynamisch in Bezug genommenen Regelwerke der genannten Bundesinstitute hier noch eine hinreichende Grundlage im Gesetz findet (vgl. BVerfGE 129, 1 <22, 25 ff.>). Sollte dies der Fall sein, bedarf es weiterer Aufklärung, ob und inwieweit ein tragfähiger Sachgrund auch dafür vorliegt, dass nicht dem Verordnungsgeber selbst die Konkretisierung des vorzulegenden Impf- oder Genesenennachweises und damit auch der geimpften und genesenen Personen im Sinne des Gesetzes übertragen ist, sondern dies den genannten Bundesinstituten überlassen wird."

Wir werden uns nun aber zunächst mit genau dieser Gesetzeskonstruktion beschäftigen und in der Praxis umsetzen müssen. Um die damit verbundenen Fragen zu klären, werden wir neben den Infolettern auch eine Videokonferenz für Fragen anbieten, die ab kommender Woche unter der Rubrik "Fortbildung" zu finden sein wird.

11.02.2022

MdC

Erneutes BEM in der Jahresfrist?

Der Arbeitgeber hat grundsätzlich ein neuerliches bEM durchzuführen, wenn der Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres nach Abschluss eines bEM erneut länger als sechs Wochen durchgängig oder wiederholt arbeitsunfähig erkrankt war.

BAG Urteil v. 18.11.2021, AZ 2 AZR 138/21

02.02.2022 MdC

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