Rechtsprechung

EuGH zu Bezugszeiträumen bei der Ermittlung der zulässigen durchschnittlichen Arbeitszeit

Mit Urteil vom 11.04.2019 hat sich der EuGH mit der Ermittlung von Bezugszeiträumen befasst. Dieses Urteil wird weitreichende Folgen haben, auch für das deutsche Arbeitszeitrecht.

Der EuGH entschied, dass

Art. 6 Buchst. b, Art. 16 Buchst. b und Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung, die für die Berechnung der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit Bezugszeiträume mit Beginn und Ende an festen Kalendertagen vorsieht, nicht entgegenstehen, sofern diese Regelung Mechanismen enthält, die gewährleisten können, dass die durchschnittliche wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden während jedes auf zwei aufeinanderfolgende feste Bezugszeiträume verteilten Sechsmonatszeitraums eingehalten wird.

Diese etwas sperrige Formulierung bedeutet nichts anderes, als das eine durchschnittlich vereinbarte Arbeitszeit nur dann den Anforderungen der europäischen Arbeitszeitrichtlinie entspricht, wenn der Durchschnitt IMMER im vereinbarten Bezugszeitrum eingehalten wird.

Legt man bei 2 aufeinanderfolgenden Bezugszeiträumen eine höhere Arbeitszeit an das Ende des ersten Bezugszeitraumes und an den Beginn des zweiten Bezugszeitraumes, dann kommt es zu einer erheblichen Verlängerung der Arbeitszeit in einem zusammenhängenden Zeitraum, nämlich genau in der Mitte der beiden Bezugszeiträume.

Dies ist nach Auffassung des EuGH unzulässig - und hat gravierende Auswirkungen auf das deutsche Arbeitszeitgesetz, aber auch tarifvertragliche Regelungen. Anschaulich und sehr gut wird dies von Prof. Dr. Buschmann dargestellt, daher wird hier auf den entsprechenden Artikel im Newsletter des HSI verwiesen (dort unter III.).

 

LAG Nürnberg gegen BAG - Mehrarbeit bei Teilzeit

Das LAG Nürnberg hat sich in einer Entscheidung vom 30.04.2019 (Az 7 Sa 346/18) gegen das BAG positioniert. Das LAG entschied, dass Teilzeitbeschäftigte  Überstundenzuschläge nach § 8 Abs. 1 a TVöD-K nur dann erhalten, wenn sie gemäß § 7 Abs. 7 TVöD-K die Arbeitszeit für einen Vollbeschäftigten überschreiten. Eine Auslegung, wonach Teilzeitbeschäftigte Überstundenzuschläge für Mehrarbeit im Sinne des § 7 Abs. 6 TVöD-K erhalten, ist mit dem Wortlaut, der Regelungssystematik und dem darin zum Ausdruck gekommenen Willen der Tarifvertragsparteien nicht vereinbar.

Zudem wies das LAG darauf hin, dass Überstundenzuschläge im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 2 a TVöD-K den Zweck verfolgen, eine grundsätzlich zu vermeidende besondere Arbeitsbelastung durch ein zusätzliches Entgelt auszugleichen und nicht, durch Verteuerung der über die individuell geschuldete Arbeitsleistung hinausgehenden Arbeitszeiten den individuellen Freizeitbereich zu schützen. Dieser Zweck rechtfertigt eine etwaige Ungleichbehandlung von Teilzeitbeschäftigten, so dass kein Verstoß gegen § 4 Abs. 1 TzBfG vorliegt.

Das LAG entschied daher anders als bereits zuvor das BAG in seinem Urteil vom 23.03.2017, Az.: 6 AZR 161/16.

Es bleibt abzuwarten, wie dieser Streit ausgehen wird, da gegen die Entscheidung des LAG bereits am 4.07.2019 Revision beim BAG  eingelegt wurde (6 AZR 254/19).

BAG zu 24-Stunden-Diensten im Rettungsdienst

Das BAG hat sich in seinem Urteil vom 17.4.2019, 5 AZR 250/18, mit der Vergütung von 24-Stunden-Diensten im Rettungsdienst beschäftigt. Im hier entschiedenen Fall hatte ein Rettungssanitäter eine zusätzliche Vergütung für die von ihm geleisteten 24-Stunden-Dienste verlangt. Das BAG wies die Revision des Klägers zurück. Nach Auffassung des BAG steht dem Kläger eine zusätzliche Vergütung nicht zu, da der anwendbare Tarifvertrag klare Vergütungsregelungen für die Vollarbeits- / Bereitschaftszeiten vorgesehen hat.

 

Verfall von Urlaubsansprüchen - Obliegenheiten des Arbeitgebers

Wir hatten bereits vor einiger Zeit auf die neue Rechtsprechung des BAG hingewiesen, dass Urlaub nicht mehr einfach verfällt. Das BAG hat sich hier der Rechtsprechung des EuGH anschließen müssen. Mittlerweile liegt auch zu dem grundlegenden BAG Urteil vom 19.02.2019 (Az 9 AZR 541/15) der Volltext vor. Zusammenfassend kann der Inhalt auch der Pressemitteilung des BAG entnommen werden.

 MdC 25.07.2019

Nachtarbeitszuschlag

Das ArbZG sieht  in § 6 ArbZG zwingend einen Zuschlag für Nachtarbeit vor. Strittig ist hier immer wieder die Höhe dieses Zuschlags, da es unterschiedlichste Formen von Nachtarbeit gibt.

Das LAG Baden-Württemberg hat sich in einem erst kürzlich veröffentlichten Urteil (AZ 9 Sa 57/18)  damit auseinandergesetzt. Das Urteil betrifft zwar in diesem Fall eine Dauernachtwache in einem Pflegeheim, aber in der Begründung wird noch einmal sehr gut die bisherige Rechtsprechung des BAG zusammengefasst und erläutert. Lesenswert!

MdC 25.07.2019

Hemmung einer Ausschlussfrist bei Vergleichsverhandlungen

Das BAG hat sich erneut mit Ausschlussfristenklauseln in Arbeitsverträgen auseinandergesetzt. Mit Urteil vom 17.04.2019 (5AZR 331/18) wird die bisherige Rechtsprechung fortgeführt. Bereits 2018 hatte das BAG in einem anderen Verfahren in einer Pressemitteilung erklärt:

"Verlangt eine arbeitsvertragliche Ausschlussfristenregelung, dass ein Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis zur Vermeidung seines Verfalls innerhalb einer bestimmten Frist gerichtlich geltend gemacht werden muss, ist die Ausschlussfrist in entsprechender Anwendung des § 203 Satz 1 BGB gehemmt, solange die Parteien vorgerichtliche Vergleichsverhandlungen führen. Der Zeitraum, während dessen die Vergleichsverhandlungen andauern, wird entsprechend § 209 BGB in die Ausschlussfrist nicht eingerechnet. § 203 Satz 2 BGB, der bestimmt, dass die Verjährung frühestens drei Monate nach dem Ende der Hemmung eintritt, findet auf arbeitsvertragliche Ausschlussfristen keine entsprechende Anwendung."

Die Rechtsprechung ist zu begrüßen, da eine andere Auffassung zu einer hohen Unsicherheit sowohl bei Arbeitnehmern als auch Arbeitgebern geführt hätte. Ausschlussklauseln dienen dem Zweck, möglichst schnell Sicherheit über etwaige Ansprüche zu bekommen und eine Hemmung der Frist würde diesen Zeitraum kaum noch bestimmbar verlängern.

MdC 25.07.2019

Überstundenzuschläge im TVöD nicht für Teilzeitbeschäftigte?

Das LAG Nürnberg hat sich mit geplanten und ungeplanten Überstunden beschäftigt und ist zu einem etwas verwirrenden Ergebnis gekommen:

  1. Bei den sog. ungeplanten Überstunden i. S. d. 1. Alternative des § 7 Abs. 8 c TVöD-K ist auf die fehlende Möglichkeit eines Freizeitausgleichs während des Schichtplanturnus abzustellen. Mit den Überstundenzuschlägen soll belohnt werden, dass der Arbeitnehmer ohne Freizeitausgleich mehr als vertraglich vereinbart arbeitet. Ungeplante Überstunden fallen dann an, wenn ungeplante Arbeitsstunden zusätzlich in einem Umfang anfallen, die zu einer Überschreitung der individuellen Sollarbeitszeit führen.
     
  2. Bei den sog. geplanten Überstunden i. S. d. 2. Alternative des § 7 Abs. 8 c TVöD-K sind Überstundenzuschläge erst bei Überschreitung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit i. S. d. § 6 Abs. 1 TVöD-K (Vollzeit) zu zahlen. Die unterschiedliche Behandlung der Teilzeitkräfte ist nach der von den Tarifvertragsparteien vorgenommenen Zweckbestimmung der Leistung, die auch mit höherem Recht vereinbart ist, sachlich gerechtfertigt.

Man darf gespannt sein, wie das Bundesarbeitsgericht die Entscheidung sieht. Die Revision wurde beim BAG am 04.07.2019 unter dem Aktenzeichen: 6 AZR 253/19 eingelegt.

 

MdC 25.07.2019

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