Rechtsprechung

Krankfeiern kann zur außerordentlich fristlosen Kündigung führen

Das Arbeitsgericht Siegburg hat sich in einer aktuellen Entscheidung (5 Ca 1200/22 v. 1.12.2022) mit der außerordentlichen fristlosen Kündigung einer Mitarbeiterin beschäftigen müssen, die sich für 2 Tage arbeitsunfähig krank gemeldet hatte, jedoch in dieser Zeit Teilnehmerin einer ausgelassenen Party war. Als Beweismittel diensten Fotos von der Homepage des Party-Gastgebers und Bilder aus dem WhatsApp-Verlauf der Mitarbeiterin.

Die Kündigung erfolgte hier zu Recht, so das Arbeitsgericht Siegburg.

Das erstinstanzliche Urteil führen wir hier auf, weil es neben Fragen der (vorgetäuschten) Arbeitsunfähigkeit auch viele gute Ausführungen zu den Themen "Verdachtskündigung", Fristen und zu dem Bereich außerordentliche Kündigungen enthält. Da die Entscheidung zudem eine gewissen humoristische Note aufweist, lohnt sich das Lesen der gesamten Entscheidung.

05.04.2023 MdC

Annahmeverzug bei fristloser Kündigung?

Wenn ein Arbeitgeber ein Arbeitsverhältnis fristlos kündigt, weil ihm die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses  nach eigenen Angaben nicht zuzumuten sei, kann sein Angebot zur Weiterbeschäftigung während des Kündigungsschutzverfahrens widersprüchlich sein.

In einem solchen Fall kann vermutet werden,  dass das Beschäftigungsangebot nicht ernst gemeint war und der gekündigte Arbeitnehmer das Weiterbeschäftigungsangebot nicht annehmen musste. Diese Vermutung kann entweder bestätigt werden (z.B. durch die Begründung der Kündigung)  oder auch entkräftet werden (z.B. durch entsprechende Darlegungen des Arbeitgebers).

Das BAG hat mit diesem aktuellen Urteil vom 29.03.2023 (5 AZR 255/22) noch einmal herausgestellt, dass Arbeitgeber im Falle einer außerordentlichen fristlosen Kündigung schon gut argumentieren müssen, um eine Prozessbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers zur Vermeidung von Annahmeverzugslohn durchzubringen.

Zum Zeitpunkt dieses Beitrages lag der Volltext noch nicht vor. Auf die weiteren Gründe aind wir daher gespannt.

 

BAG zum Weisungsrecht des Arbeitgebers

Welch gewichtige Bedeutung das Weisungsrecht dem Arbeitgeber zukommt, hat jüngst wieder das BAG bestätigt (Urteil v. 30.11.2022, Az 5 AZR 336/21).

Die Entscheidung ist in zwei Leitsätzen zusammengefasst:

1. Der Arbeitgeber kann aufgrund seines Weisungsrechts nach § 106 Satz 1 GewO dem Arbeitnehmer grundsätzlich auch einen Arbeitsplatz im Ausland zuweisen, wenn die möglichen Arbeitsorte nicht durch Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung, Tarifvertrag oder gesetzliche Vorschriften auf das Inland begrenzt sind. Eine Beschränkung des Weisungsrechts auf Arbeitsorte in der Bundesrepublik Deutschland ist dem Arbeitsvertrag als solchem nicht immanent.

2. Die Zuweisung eines Arbeitsorts im Ausland unterliegt wie jede Ausübung des Weisungsrechts des Arbeitgebers nach § 106 Satz 1 GewO, § 315 Abs. 1 BGB einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle. Sofern die Weisung auf einer unternehmerischen Entscheidung beruht, kommt dieser besonderes Gewicht zu, ohne dass das unternehmerische Konzept auf seine Zweckmäßigkeit zu überprüfen wäre.

Auch wenn die meisten unserer Mitglieder keine Einrichtungen im Ausland betreiben, stellt die Entscheidung noch einmal heraus, welche grundlegenden Möglichkeiten dem Arbeitgeber zur Verfügung stehen, wenn es um die Zuweisung von Tätigkeiten, Zeiten und Arbeitsorten geht.

Zu berücksichtigen ist, dass das Weisungsrecht manchmal durch den Arbeitsvertrag (oder auch Tarifvertrag) eingeschränkt sein kann. Das steht meist im Zusammenhang mit Abwägungen, die Arbeitgeber bei einer potenziellen Sozialauswahl im Kündigungsschutzverfahren schützen können. Insofern ist bei der Ausübung des Weisungsrechtes immer zu prüfen, ob es nicht arbeits- oder tarifvertraglich eingeschränkt wurde.

30.03.2023 MdC

BEM trotz Zustimmung des Integrationsamtes erforderlich

Wie wichtig das BEM ist, das hat das Bundesarbeitsgericht erneut in einer aktuellen Entscheidung (Urteil v., 15.12.2022, Az 2 AZR 162/22) herausgestellt.

In seinem Leitsatz schreibt das BAG dazu:

Die Zustimmung des Integrationsamts zu einer krankheitsbedingten Kündigung begründet nicht die Vermutung, dass ein (unterbliebenes) betriebliches Eingliederungsmanagement die Kündigung nicht hätte verhindern können.

In diesem Verfahren hatten sich die Parteien  über die Wirksamkeit einer ordentlichen, auf krankheitsbedingte Gründe gestützten Kündigung gestritten.

Die schwerbehinderte (bzw. hier gleichgestellte) Arbeitnehmerin hat sich mit Erfolg darauf berufen können, dass im Falle eines ordnungsgemäß durchgeführten BEM eine Kündigung hätte womöglich vermieden werden können.

Der Arbeitgeber hatte hier sogar ein BEM-Angebot unterbreitet, allerdings dabei die vorherige Unterzeichnung einer Einwilligung in die Verarbeitung von personenbezogenen und Gesundheitsdaten verlangt. Das BAG entschied, dass eine solche Einwilligung in § 167 Abs. 2 SGB IX nicht vorgesehen sei und deshalb das BEM hätte durchgeführt werden können.

Da es jedoch hier nicht zu einem BEM kam und die Arbeitnehmerin beispielhaft ein paar Maßnahmen aufzeigen konnte, die eine Kündigung hätten verhindern können, war sie mit ihrer Kündigungsschutzklage erfolgreich.

Schön zusammengefasst hat das BAG in seiner Entscheidung im Übrigen noch einmal die Bedeutung des BEM im Kündigungsschutzverfahren:

 Der Arbeitgeber, der für die Verhältnismäßigkeit der Kündigung ... die Darlegungs- und Beweislast trägt, kann sich zwar im Kündigungsschutzprozess grundsätzlich zunächst auf die Behauptung beschränken, für den Arbeitnehmer bestehe keine andere – seinem Gesundheitszustand entsprechende – Beschäftigungsmöglichkeit. War der Arbeitgeber jedoch ...zur Durchführung eines bEM verpflichtet und ist er dieser Verpflichtung nicht nachgekommen, ist er darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass auch ein bEM nicht dazu hätte beitragen können, neuerlichen Arbeitsunfähigkeitszeiten entgegenzuwirken und das Arbeitsverhältnis zu erhalten. Die Durchführung eines bEM ist zwar nicht selbst ein milderes Mittel gegenüber der Kündigung. § 167 Abs. 2 SGB IX konkretisiert aber den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Mit Hilfe eines bEM können mildere Mittel als die Beendigung des Arbeitsverhältnisses erkannt und entwickelt werden (...).

 

30.03.2023 MdC

 

Tägliche Ruhezeit darf nicht auf wöchentliche Ruhezeit angerechnet werden

In einer aktuellen Entscheidung des EuGH (Urteil v. 2.03.2023, Az. C-477/21) ging es (vereinfacht gesagt) um die Frage, ob tägliche und wöchentliche Ruhezeit kombiniert werden können.

Nein, sagte der EuGH.

Die tägliche Ruhezeit ist nicht Teil der wöchentlichen Ruhezeit. Sie ist vielmehr zusätzlich zu gewähren, auch wenn sie der wöchentlichen Ruhezeit unmittelbar vorausgeht oder nachfolgt. Das gilt auch dann, wenn die wöchentliche Ruhezeit länger ist als von der Arbeitszeitrichtlinie vorgegeben. Eine günstigere Regelung zur wöchentlichen Ruhezeit schmälert nicht das Recht auf die tägliche Mindestruhezeit.

Beispiel:

Ein Erzieher arbeitet am Samstag bis 22 Uhr. Die sich anschließende tägliche Ruhezeit von elf Stunden endet am Sonntag um 9 Uhr. Soll mit dem Sonntag dann aber auch die wöchentliche Mindestruhezeit von 24 Stunden abgegolten werden dürfte der Erzieher frühestens am Montag um 9 Uhr wieder anfangen zu arbeiten.

 

Die Entscheidung werden alle Dienstplangestalter beachten müssen.

 

15.03.2023 MdC

 

BAG zur Entgeltgleichheit bei Frauen und Männern

In einer aktuellen Entscheidung des BAG geht es um die Entgeltgleichheit von Frauen und Männern. Zu dieser Entscheidung liegt der Volltext noch nicht vor, aber man darf in Anbetracht der Pressemitteilung des BAG auf die Gründe gespannt sein.

In der Pressemitteilung heisst es: "Eine Frau hat Anspruch auf gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit, wenn der Arbeitgeber männlichen Kollegen aufgrund des Geschlechts ein höheres Entgelt zahlt. Daran ändert es nichts, wenn der männliche Kollege ein höheres Entgelt fordert und der Arbeitgeber dieser Forderung nachgibt."

Wie sich die Entscheidung zum Prinzip der Vertragsfreiheit verhält wird spannend. Das BAG sah hier eine Diskriminierung nach dem AGG und sprach der Klägerin neben dem gleichen Lohn auch noch eine Entschädigung zu. In der ungleichen Vergütung sah das Bundesarbeitsgericht bereits ein Indiz für die Diskriminierung.

Diebstahl rechtfertigt nicht immer eine fristlose Kündigung

Das musste eine Arbeitegber feststellen, der einen Mitarbeiter außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich auf Grund eines (geringfügigen) Lebensmitteldiebstahls gekündigt hatte.

Die außerordentliche Kündigung sei nicht wirksam, da es einer vorhergehenden Abmahnung bedurft hätte, so das hessische LAG in seiner Entscheidung  vom 04.11.2022 (Az 10 Sa 778/22).

Die Begründung liefert das Gericht bereits im Leitsatz der Entscheidung:

1. Eine Abmahnung ist bei einer verhaltensbedingten außerordentlichen Kündigung nach § 626 BGB nicht entbehrlich, wenn der Arbeitnehmer bei einer unklaren Weisungslage annehmen durfte, es sei gestattet, bei einer Firmenfeier übrig gebliebene Lebensmittel mit nach Hause zu nehmen.

2. Die bei der Interessenabwägung zu berücksichtigenden Umstände lassen sich nicht abschließend für alle Fälle festlegen. Es ist im Grundsatz anerkannt, dass nicht nur vertragsbezogene Umstände eine Rolle spielen können, sondern auch solche, die in der Person des Arbeitnehmers liegen. Dazu kann auch gehören, dass der Arbeitnehmer derzeit ein Adoptionsverfahren betreibt, bei dem im Interesse des Kindeswohls auch die sozialen Verhältnisse der Adoptiveltern eine Rolle spielen.

Da es sich im hier entschiedenen Fall um einen Kleinbetrieb gehandelt hat, ging die ordentliche Kündigung allerdings problemlos durch und das Arbeitsverhältnis endete mit Ablauf der Kündigungsfrist.

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