Rechtsprechung

Vorlage von Dienstplänen und Arbeitszeitnachweisen

In einer aktuellen Entscheidung des OVG Sachsen Anhalt (Beschluss vom 17.11.2022, 1 L 100/20.Z)1 L 100/20.Z)  ging es u.A. um die Frage, welche Rechte Aufsichtsbehörden haben, wenn sie die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes prüfen.

In seinem Leitsatz führte das OVG dazu aus:

"Für ein Auskunftsverlangen nach § 17 Abs. 4 ArbZG ist ausreichend, aber auch erforderlich, dass die Aufsichtsbehörde einen berechtigten Anlass hat zu prüfen, ob ein Arbeitgeber die Arbeitszeitvorschriften einhält. Weder muss ein konkreter Verstoß gegen Bestimmungen des ArbZG bereits feststehen noch ein konkreter Verdacht eines Gesetzesverstoßes gegeben sein."

Entgegen der Auffassung der hier betroffenen Pflegeeinrichtung setzt diese Regelung weder die konkrete Gefahr eines Verstoßes gegen das ArbZG voraus, noch muss ein solcher Verstoß bereits feststehen. Nach § 17 Abs. 4 ArbZG kann die Aufsichtsbehörde vom Arbeitgeber die für die Durchführung des ArbZG und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen erforderlichen Auskünfte verlangen. Sie kann ferner vom Arbeitgeber u. a. verlangen, die Arbeitszeitnachweise vorzulegen oder zur Einsicht einzusenden. Schon dem Wortlaut nach verlangt § 17 Abs. 4 ArbZG für ein Tätigwerden der zuständigen Behörde nicht, dass konkrete Verstöße gegen Bestimmungen des ArbZG bereits feststehen oder zumindest ein konkreter Verdacht eines Gesetzesverstoßes gegeben ist. Die Auskunft, auf welche sich das behördliche Verlangen bezieht, muss für die Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen des ArbZG und der auf dessen Grundlage erlassenen Rechtsverordnungen durch die hierfür nach § 17 Abs. 1 ArbZG zuständige Behörde erforderlich sein. Dies schließt (lediglich) eine allgemeine, ungezielte Ausforschung des Arbeitgebers und anlasslose Auskunftsverlangen aus. Ausreichend, aber auch erforderlich ist vielmehr, dass die Aufsichtsbehörde einen berechtigten Anlass hat zu prüfen, ob ein Arbeitgeber die Arbeitszeitvorschriften einhält. Dies kann, so das OVG Sachsen-Anhalt,  z. B. der Fall sein, wenn eine Betriebsprüfung Anhaltspunkte für Verstöße gegen Arbeitszeitbestimmungen ergibt oder wenn die Aufsichtsbehörde - auch anonyme - Hinweise auf solche Verstöße erhält.

Im vorliegenden Fall hatte die Aufsichtsbehörde die Arbeitszeitnachweise für die letzten 3 Monate verlangt. Auch hier sah das OVG kein Überschreiten des Ermessens.

20.12.2022

MdC

Streik am Uniklinikum Bonn

Das Landesarbeitsgericht Köln (01.07.2022 - 10 SaGa 8/22) hatte sich mit der Zulässigkeit von Streikmaßnahmen u.a. für einen Tarifvertrag "Entlastung" zu beschäftigen. Nach Auffassung des LAG verstößt ein solcher Streik auch im Bereich des TV-L nicht gegen die tarifvertragliche Friedenspflicht, da die einschlägigen tarifvertraglichen Regelungen nicht (abschließend) das Streikziel einer präventiven, vorbeugenden Verhinderung des Entstehens spezifischer Belastungssituationen regeln.

Das LAG sah auch keine Unverhältnismäßigkeit: "Das Streikrecht aus Art. 9 Abs. 3 GG unterliegt Einschränkungen, soweit verfassungsrechtlich geschützte Güter Dritter – hier Patientenrechte nach Art. 2 Abs. 2 GG – betroffen sind. Es bedarf eines Ausgleichs der beiderseitig verfassungsrechtlich geschützten Rechtspositionen im Wege der praktischen Konkordanz. Dieser Grundsatz fordert, dass nicht eine der widerstreitenden Rechtspositionen bevorzugt und maximal durchgesetzt werde. Alle Interessen müssen einen möglichst schonenden Ausgleich erfahren. Im Bereich der Daseinsvorsorge eines Klinikbetriebs bedeutet dies, dass vorrangig eine angemessene, ausreichende und geeignete Notversorgung sicher zu stellen ist. Eine Notversorgung, die diesen Anforderungen entspricht, haben die Parteien in konstruktiver Art und Weise im Verhandlungstermin am 29. Juni 2022 vereinbart, indem sie unter anderem die Notversorgung qualitativ und quantitativ durch die Erhöhung des Mindestbetriebs von 16 Operationssälen auf 25 Operationssäle nebst entsprechendem Fachpersonal verbesserten."

Die Entscheidung zeigt erneut, dass es in vielen Bereichen Sozialer Arbeit nicht (nur) auf das Geld ankommt, sondern auch auf die Arbeitsbedingungen; das haben z.B. ja auch die Entlastungstage im TVöD in der letzten Tarifrunde gezeigt. Von Personalschlüsseln ist man im Bereich des TVöD noch weit entfernt, doch zeigt diese Entscheiung schon einmal auf, womit die Tarifvertragsparteien zukünftig rechnen können.

13.12.2022 MdC

 

Rentennähe darf bei der sozialen Auswahl berücksichtigt werden

Bekanntlich ist das Lebensalter bei der Sozialauswahl, die bei betriebsbedingten Kündigungen durchzuführen ist, zu berücksichtigen. In einer aktuellen Entscheidung führt das Bundesarbeitsgericht (8.12.2022, Az 6 AZR 31/22) dazu jedoch aus, dass

"bei der sozialen Auswahl betriebsbedingt zur Kündigung anstehender Arbeitnehmer im Rahmen des Lebensalters zu Lasten des Arbeitnehmers berücksichtigt werden darf , dass er bereits eine (vorgezogene) Rente wegen Alters abschlagsfrei bezieht. Das Gleiche gilt, wenn der Arbeitnehmer rentennah ist, weil er eine solche abschlagsfreie Rente oder die Regelaltersrente spätestens innerhalb von zwei Jahren nach dem in Aussicht genommenen Ende des Arbeitsverhältnisses beziehen kann. Lediglich eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen darf insoweit nicht berücksichtigt werden."

Der Volltext der Entscheidung dürfte in den kommenden Wochen vorliegen.

13.12.2022 MdC

Supervisionsleistungen unter bestimmten Voraussetzungen (umsatz-)steuerfrei

Der BFH hat mit Beschluss vom 22. Juni 2022, XI R 32/21 (XI R 6/19) entschieden, das Supervisionsleistungen unter bestimmten Voraussetzungen (umsatz-) steuerfrei sind. Leiten Sie diese Entscheidung gerne ihrer/ihrem StB zu.

10.12.2022 MdC

 

Kostentragung in AGG-Verfahren

Die meisten Leserinnen und Leser wissen, dass in Arbeitsgerichtsverfahren die Kostentragungspflicht anders geregelt ist als in anderen Gerichtsverfahren. § 12a AGG regelt, dass "in Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs kein Anspruch der obsiegenden Partei auf Entschädigung wegen Zeitversäumnis und auf Erstattung der Kosten für die Zuziehung eines Prozeßbevollmächtigten oder Beistands besteht".

Das LArbG Berlin-Brandenburg hat mit Urteil vom 19.10.2022 (4 Sa 413/22)4 Sa 413/22) entschieden, dass sich die Kostentragungsplficht  im arbeitsgerichtlichen Verfahren allein nach § 12a ArbGG regelt und uneingeschränkt auch für Klagen nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz gilt.

Ein Entscheidung die für Träger, die tatsächlich einmal mit dem AGG in Berührung kommen, erfreulich sein dürfte.

10.12.2022 MdC

 

BAG: Verpflichtung zur systematischen Arbeitszeiterfassung

Über das BAG-Urteil ("Stechuhr-Urteil") hatten wir ja schon kurz berichtet und jetzt, wo der Volltext vorliegt, wollen wir noch einmal etwas detaillierter darauf eingehen.

Klar ist, dass Arbeitszeiten aufgezeichnet werden müssen. Zum Wie und Was hat das BMAS bereits ein umfangreiches FAQ online gestellt, auf das ich hier verweisen möchte.

Die Entscheidung greift zur Begründung auf das Arbeitsschutzgesetz als Rechtsgrundlage  zurück und nicht auf das Arbeitszeitgesetz. Das bedeutet ganz praktisch, dass die bisher vom Arbeitszeitgesetz ausgenommenen Personengruppen (z.B. innewohnende Fachkräfte) ebenfalls unter die Aufzeichnungspflicht fallen könnten. Unseres Erachtens wird dies jedoch nicht geschehen, da der Gesetzgeber nun aufgefordert ist, die Aufzeichnungspflicht gesetzlich zu regeln - und das wird er sicherlich im Arbeitszeitgesetz selbst tun. Bereits im Koalitionsvertrag wurden diese Punkte besprochen und mit einer Umsetzung dürfte im ersten Halbjahr 2023 zu rechnen sein.

Bis dahin sollten im Übrigen auch keine übereilten Schritte, wie z.B. die Anschaffung teurer Software für die Erfassung,  eingeleitet werden. Wichtig ist, die Arbeitszeit aller Mitarbeiter zu erfassen und zu dokumentieren, und zwar zumindest Beginn, Ende und Dauer. Wir empfehlen darüber hinaus auch die Dokumentation von Pausen. Eine elektronische Erfassung ist (bislang) nicht vorgesehen, daher können auch schriftliche Aufzeichnungen gefertigt werden. Ob und wie die Erfassung digital sinnvoll sein kann, werden wir nach Vorliegen des Gesetzes noch einmal prüfen.

Was aber, wenn bislang eine sog. "Vertrauensarbeitszeit" vereinbart war. Das Urteil enthält auch hierzu ein paar kurze Passagen:

Es "...seien vor allem die Besonderheiten der jeweils betroffenen Tätigkeitsbereiche der Arbeitnehmer und die Eigenheiten des Unternehmens – insbesondere seine Größe – zu berücksichtigen" und etwas später "Zudem sei es auch nicht ausgeschlossen, die Aufzeichnung der betreffenden Zeiten als solche an die Arbeitnehmer zu delegieren"

Konkret bedeutet das Urteil also nicht das Aus der Vertrauensarbeitszeit. Die Zeiterfassung kann der Mitarbeiterin/dem Mitarbeiter aufgegeben werden. Wichtig aus arbeitsschutzrechtlicher Perspektive ist jedoch, dass diese Dokumentation dem Arbeitgeber dann übergeben wird und der Arbeitgeber sollte zumindest stichprobenhaft kontrollieren, ob die Regelungen des Arbeitszeitgesetzes eingehalten werden.

Nicht gleichbedeutend ist die Erfassung im Übrigen mit dem Dienstplan; dieser enthält nur die geplante Arbeitszeit, nicht jedoch die tatsächlich abgeleistete Zeit.

Aus diesem Grund hat wohl auch die BAGLJAe in ihrer aktuellen Empfehlung Nr. 159 unter anderem sowohl die Arbeitszeiterfassung als auch die Dienstpläne als erforderliche Unterlagen zur Erfüllung  der Dokumentations- und Aufbewahrungspflicht i.S.d. § 47 Abs. 2 SGB VIII angesehen. Für unsere Mitglieder ist das außerordentlich wichtig, da die Aufbewahrungspflichten im Arbeitszeitgesetz kürzer sind; unter § 47 SGB VIII beträgt die Aufbewahrungsfrist 5 Jahre. Werden die Aufzeichnungen mit der (Lohn-) Buchhaltung verknüpft, verlängert sich die Aufbewahrungspflicht noch einmal. Wird gegen die Aufbewahrungspflicht verstoßen droht daher nicht nur ein Bußgeld, sondern es kann sogar die Trägereignung in Frage gestellt werden.

Anfang 2023 werden wir zu diesem Thema ein kurzes Webinar anbieten und nehmen dazu gerne auch die  jetzt schon bestehenden Fragen mit auf.

MdC 07.12.2022

 

 

Pflegeverhältnis Ehrenamt oder Beschäftigung?

"Eine vom Träger der Jugendhilfe beauftragte Pflegemutter nimmt ihre Tätigkeit im sozialrechtlichen Sinne ehrenamtlich wahr, solange nicht besondere Umstände wie namentlich die Höhe die ihr dafür gewährten finanziellen Anerkennung für eine verdeckte Entlohnung einer Erwerbsarbeit sprechen."

So urteilte das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen in seiner Entscheidung vom 07.09.2022, AZ L 2 BA 6/22.

Die Pflegemutter hatte als Klägerin in diesem Verfahren versucht, aus ihrer Pflegetätigkeit ein Beschäftigungsverhältnis abzuleiten. Obwohl das Verfahren in diesem Fall nicht zu Gunsten der Klägerin ausgegangen ist, weist das Gericht in seiner Begründung jedoch darauf hin, dass insbesondere bei einer sehr viel höheren Vergütung die Entscheidung auch anders hätte ausfallen können.

Insofern sollten insbesondere Träger, die mit "angestellten" Pflegefamilien arbeiten, hier sehr genau prüfen. Dasselbe gilt für professionelle Pflegefamilien.

 

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Arbeitgeberverband privater Träger
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27283 Verden

Tel 04231 - 95 18 412

Mail: info@ag-vpk.de

Internet: www.ag-vpk.de

 

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