Rechtsprechung

Coronasonderzahlung im öffentlichen Dienst auch in Freistellungsphase

Auch Arbeitnehmer, die sich am 01.10.2023 in der Freistellungsphase ihrer Altersteilzeit befanden, haben nach dem "TV Corona-Sonderzahlung" des öffentlichen Dienstes  Anspruch auf die Zahlung dieser Prämie. Dies ergibt sich nach Auffassung des BAG bereits aus dem Wortlaut des Tarifvertrages.

Danach hängt die Corona-Sonderzahlung allein vom Bestehen des Arbeitsverhältnisses (zum tarifvertraglich festgelegten Stichtag)  und eines Entgeltanspruchs an einem Tag im Referenzzeitraum ab. Eine tatsächliche Arbeitsleisrtung wird dagegen nicht vorausgesetzt.

 

Betriebsrat hat kein Mitbestimmungsrecht bei der Anrückzeit einer Rufbereitschaft

Im hier entschiedenen Fall vor dem LArbG Berlin-Brandenburg (Beschl. v. 9.02.23, 10 TaBV950/22) ging es um die Frage, ob ein Betriebsrat bei der Festlegung einer "Anrückzeit", d.h. der Zeitspanne, innerhalb derer Mitarbeitende während der Rufbereitschaft vor Ort verfügbar sein müssten, mitbestimmen könne. Das Landesarbeitsgericht sah hier kein Mitbestimmungsrecht gegeben.

Die Entscheidung ist aber auch deshalb interessant, weil sie sich mit der Unterscheidung von Rufbereitschaft und Bereitschaftszeit auseinandergesetzt hat. Ob die bei der Entscheidung zu Grunde liegende Anrückzeit von 30 Minuten tatsächlich Bereitschaftszeit sein könne, ließ die Entscheidung offen.

 

 

 

 

 

 

 

Bahnfahren ist Arbeitszeit - so das VG Lüneburg

Auch wenn Mitarbeiter/-innen mit der Bahn fahren und ihre Zeit während der Bahnfahrten  frei gestalten können, werden sie in ihrer Freiheit beschränkt, so das VG Lüneburg in einem aktuellen Urteil (Urt. v. 02.05.2023, Az. 3 A 146/22). Die Reisezeit mit der Bahn sei daher Arbeitszeit.

Die Entscheidung beruht nicht auf einer Klage der Mitarbeitenden, sondern auf Grund einer Feststellung des zuständigen Gewerbeaufsichtsamtes.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig und weicht in der Begründung teilweise von der bisherigen REchtsprechung des BAG ab. Es bleibt daher abzuwarten, ob sich die Rechtsprechung dazu ändern wird.

22.06.2023 MdC

Fristlose Kündigung und Annahmeverzug

Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristlos, weil er meint, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sei ihm nicht zuzumuten, bietet aber gleichzeitig dem Arbeitnehmer „zur Vermeidung von Annahmeverzug“ die Weiterbeschäftigung zu unveränderten Bedingungen während des Kündigungsschutzprozesses an, verhält er sich widersprüchlich. In einem solchen Fall spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass das Beschäftigungsangebot nicht ernst gemeint ist. Diese Vermutung kann durch die Begründung der Kündigung zur Gewissheit oder durch entsprechende Darlegungen des Arbeitgebers entkräftet werden.

So entschied das BAG in einem aktuellen Urteil  v. 29. März 2023  (Az 5 AZR 255/22). Der Volltext liegt noch nicht vor und wir werden bei Bedarf ergänzen.

 

Ungeeignetheit der Tagespflegeperson bei erheblicher Verletzung der Aufsichtspflicht

Das VG Karlsruhe hat sich mit der Eignung von Tagespflegepersonen beschäftigen müssen. Das Urteil vom 28.3.2023 (Az.8 K 3182/22) lässt sich in folgenden Leitsätzen zusammenfassen:

1. Für den mit einer Fortbildungspflicht für Kindertagespflegepersonen verbundenen Eingriff in die Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG fehlt es in Baden-Württemberg an einer hinreichenden gesetzlichen Grundlage. Verwaltungsvorschriften - wie die VwV Kindertagespflege - genügen dem Vorbehalt des Gesetzes insoweit grundsätzlich nicht.

2. Eine erhebliche Verletzung der Aufsichtspflicht kann die Ungeeignetheit der Tagespflegeperson begründen. Dabei ist auch in den Blick zu nehmen, ob die Pflegeperson ihr eigenes Handeln und Verhalten kritisch zu betrachten in der Lage ist und sie bereit ist, das Kindeswohl zukünftig über eigene Belange und Interessen zu stellen.

3. Die Aufsicht ist bei Kleinkindern möglichst lückenlos und von der Tagespflegeperson höchstpersönlich wahrzunehmen.

4. Eine auf Dauer angelegte Überschreitung der Höchstzahl der zu betreuenden Kinder stellt eine schwere Pflichtverletzung dar, die auf eine mangelnde Sorgfalt im Umgang mit den zu betreuenden Kindern schließen lässt.

Auch wenn es hier „nur“ um die Tagespflege ging, lassen sich daraus auch Merkposten für die Heimerziehung ableiten. Insbesondere ungenehmigte Überbelegungen stellen auch in der Heimerziehung einen schwerwiegenden Verstoß dar, der die Trägerzuverlässigkeit berührt und (berechtigterweise) zum Entzug der Betriebserlaubnis führen kann.

24.05.23 MdC

Und nochmal: Zum Beweiswert einer AU

Dass der Beweiswert einer AU (Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung) erschüttert werden kann, hat insbesondere das BAG 2021 in einer wichtigen Entscheidung hervorgehoben. Auch das LAG Niedersachsen folgt dem in einem aktuellen Urteil (Urt. v. 08.03.2023, Az.: 8 Sa 859/22). Im hier vorliegenden Verfahren unterlag jedoch der Arbeitgeber. Zusammengefasst werden kann das Urteil in 3 Leitsätzen:

  • Der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kann grds. auch dadurch erschüttert werden, dass der Arbeitnehmer sich im Falle des Erhalts einer arbeitgeberseitigen Kündigung unmittelbar zeitlich nachfolgend - "postwendend" - krank meldet bzw. eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung einreicht. Das gilt insbesondere dann, wenn lückenlos der gesamte Zeitraum der Kündigungsfrist - auch durch mehrere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen - abgedeckt wird.

  • Meldet sich zunächst der Arbeitnehmer krank und erhält er erst sodann eine arbeitgeberseitige Kündigung, fehlt es an dem für die Erschütterung des Beweiswertes der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung notwendigen Kausalzusammenhang.

  • Allein die Tatsache, dass ein Arbeitnehmer bis zur Beendigung eines Arbeitsverhältnisses arbeitsunfähig krankgeschrieben ist, am unmittelbar darauffolgenden Tag gesundet und bei einem anderen Arbeitgeber zu arbeiten beginnt, erschüttert in der Regel ohne Hinzutreten weiterer Umstände den Beweiswert von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nicht.

     

     

 

Familienhelfer als selbständige Tätigkeit

Erfolgreich in einem Statusfeststellungsverfahren war jüngst die Stadt Langenhagen in einem Verfahren (Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urt. v. 17.03.2023, Az.: L 2 BA 38/21), in dem es um die Frage der selbstständigen Tätigkeit von Familien- bzw. Erziehungshelfern im Rahmen von SPFH ging.

Die Deutsche Rentenversicherung hatte die Tätigkeit als Beschäftigungsverhältnis eingestuft und in der ersten Instanz auch Erfolg gehabt. Das LSG hob die Entscheidung nun auf. Interessant aus der Begründung ist auch der Leitsatz der Entscheidung:

"Liegt das vereinbarte Honorar deutlich über dem Arbeitsentgelt eines vergleichbar eingesetzten sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und lässt es dadurch Eigenvorsorge zu, stellt dies dann ein gewichtiges Indiz für eine selbständige Tätigkeit dar, wenn im Übrigen der Sachverhalt dem Grenzbereich zwischen einer abhängigen Beschäftigung und einer selbständigen Tätigkeit zuzurechnen ist."

Nun ist allein das Honorar kein Freibrief und die Einordnung als selbstständige oder aber abhängig beschäftigte Tätigkeit bedarf einer umfassenden Einzelfallprüfung. Insbesondere in vielen "Sozialberufen" können Tätigkeiten sowohl in einem Beschäftigungsverhältnis als auch selbstständig ausgeübt werden. Empfehlenswert ist deshalb immer (!) eine entsprechende Statusfeststellung durchzuführen.

 

 

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