Rechtsprechung

Nachweis des Zugangs einer Kündigungserklärung

Kündigungen sind nur wirksam, wenn sie schriftlich erfolgen. Was aber, wenn man die Kündigung nicht persönlich übergeben kann? Die Methode "Einschreiben" ist mit einigen Unsicherheiten verbunden, wie auch nun wieder eine aktuelle Entscheidung aus Baden-Württemberg zeigt (LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 12.12.2023, Az.:15 Sa 20/23). Im Leitsatz führt das LAG aus:

"1. Ist der Zugang einer schriftlichen Erklärung streitig und beruft sich der darlegungs- und beweisbelastete Absender auf einen Zugang beim Empfänger per Einwurf-Einschreiben der Deutschen Post AG, begründet die Kombination von Einlieferungsbeleg der Post und Sendungsstatus der Post noch keinen Beweis des ersten Anscheins für den Zugang.
2. Die Aussagekraft eines Sendungsstatus unterscheidet sich von derjenigen der Reproduktion eines Auslieferungsbelegs darin, dass hinter dem Sendungsstatus kein individueller, konkreter Mensch als Gewährsperson steht, während der Auslieferungsbeleg die Unterschrift des Postzustellers trägt. Kann keine Reproduktion des Auslieferungsbelegs von der Deutschen Post AG mehr zur Verfügung gestellt werden, fällt dies in die Risikosphäre des Absenders."

 

Arbeitgeber sind daher gut beraten, sich den Auslieferungsbeleg immer gleich ausstellen zu lassen sobald die Kündigung zugegangen ist. Besser ist allerdings nach wie vor die persönliche Übergabe (mit Empfangsbekenntnis) oder der persönliche Einwurf in den Briefkasten des Empfängers (mit Zeugen!).

24.05.2024 MdC

Bereitschaftszeit oder Rufbereitschaft

Mit der Abgrenzung von Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft hat sich das VG Augsburg beschäftigt. In diesem Verfahren (VG Augsburg, Urteil v. 18.04.2024 – Au 2 K 22.1281) war der Kläger ein Staatsanwalt, der Zulagen für sog. "Jour-Dienst" fordert. Der Jour-Dienst stellt die ständige Erreichbarkeit eines Staatsanwalts für die Ermittlungsbehörden sicher. Der Beklagte lehnte die Zahlung der Zulagen ab, weil er den Jour-Dienst als Rufbereitschaft und nicht als Bereitschaftsdienst einstufte.  Das Gericht gab  der Klage statt und verurteilte den Beklagten, dem Staatsanwalt die Zulagen für Dienst zu ungünstigen Zeiten zu zahlen. Das Gericht folgte damit  der Argumentation des Klägers, dass der Jour-Dienst als Bereitschaftsdienst anzusehen ist, weil er so große Einschränkungen der Freizeitgestaltung mit sich bringe, dass sie einer mittelbaren Bestimmung des Aufenthaltsorts durch den Dienstherrn gleichkommen.

Auch wenn auch dieses Urteil nur mittelbar auf die Jugendhilfe übertragbar ist, enthält es doch die tragenden Aussagen zur Differenzierung zwischen Rufbereitschaft und Bereitschaftsdienst. Eine Rufbereitschaft darf lediglich eine geringfügige Einschränkung der Bewegungs- und Betätigungsfreiheit während der Freizeit bedeuten. Im vorliegenden Fall war der Staatsanwalt dagegen  so großen Einschränkungen unterworfen, dass sie seine Freizeitgestaltung ganz erheblich beeinträchtigten. Ein Freiraum, Privatinteressen nachzugehen, bestand faktisch nicht, denn der Jour-Dienst ist durch die unabdingbare ständige und sofortige Verfügbarkeit gekennzeichnet. Der Kläger musste bei Bedarf jederzeit und unverzüglich Dienst leisten, wodurch es nahezu unmöglich wird, Aktivitäten durchzuführen. Die Perioden der Inaktivität wurden, wie vom Kläger dargelegt, häufig durch Anrufe unterbrochen: In der Zeit zwischen 16.15 Uhr und 8.00 bzw. 9.00 Uhr des Folgetags erreichten den Staatsanwalt durchschnittlich acht bis zehn Anrufe. Auch dieses Merkmal sprach nach Auffassung des Gerichts gegen eine Rufbereitschaft.

 

24.05.2024 MdC

Arbeits- und Bereitschaftszeit

Die Frage, ab wann denn "normale" Arbeit oder aber Bereitschaftsdienst vorliegt bzw. sogar nur eine Rufbereitschaft beschäftigt die Rechtsprechung schon sehr lange. Die Definition wird dabei maßgeblich durch das europäische Recht bestimmt, insbesondere die sog. Arbeitszeitrichtlinie RL 2003/88/EG. Das OVG Niedersachsen hatte sich nun ebenfalls erst kürzlich wieder mit diesen Fragen auseinandersetzen müssen. In dem Verfahren (Urt. v. 16.04.2024, Az.: 5 LC 35/21) ging es zwar um eine Fallkonstellation, die nicht auf die Jugendhilfe übertragbar ist, da sie die Gewährung eines finanziellen Ausgleichs für den Kapitän eines Zollbootes während Seestreifen betraf (was mit Jugendhilfe daher auch erkennbar wenig gemeinsam hat), gleichwohl sind aber einige Ausführungen eine gute Zusammenfassung der europäischen Rechtsprechung. So heißt es im Urteil bspw.:

"Zusammenfassend ist festzustellen, dass grundsätzlich "Arbeitszeit" im Sinne der Richtlinie 2003/88/EG vorliegt, wenn der Arbeitnehmer persönlich an seinem Arbeitsplatz oder einem anderen vom Arbeitgeber bestimmten Ort anwesend sein und ihm zur Verfügung stehen muss, um gegebenenfalls sofort seine Leistungen erbringen zu können, oder ein solcher Ort zwar nicht bestimmt ist, die dem Arbeitnehmer auferlegte Frist für die Aufnahme seiner Arbeit aber nur wenige Minuten beträgt oder der Arbeitnehmer während seiner Bereitschaftszeiten im Durchschnitt häufig zur Erbringung von Leistungen herangezogen wird und diese Leistungen in der Regel nicht von kurzer Dauer sind. Ausnahmen davon sind möglich, wenn die dem Arbeitnehmer gewährten Erleichterungen und/oder Handlungsspielräume es diesem ermöglichen, die Zeit für eigene Interessen zu nutzen. Unabhängig von den vorgenannten Elementen fallen unter den Begriff "Arbeitszeit" im Sinne der Richtlinie 2003/88/EG sämtliche Bereitschaftszeiten, während derer dem Arbeitnehmer Einschränkungen von solcher Art auferlegt werden, dass sie seine Möglichkeit, während der Bereitschaftszeiten die Zeit, in der seine beruflichen Leistungen nicht in Anspruch genommen werden, frei zu gestalten und sie seinen eigenen Interessen zu widmen, objektiv gesehen ganz erheblich beeinträchtigen, also ein bestimmter Intensitätsgrad erreicht wird, der für eine Art Daueralarmbereitschaft spricht."

Insgesamt eine Entscheidung, die sich nahtlos an die bisherige Rechtsprechung anschließt.

 24.05.2024 MdC

Zum Urlaubsverfall bei Krankheit

Das LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 11.10.2023 – 10 Sa 23/23) hat sich mit dem (möglichen) Verfall von Urlaubsansprüchen bei Langzeiterkrankungen beschäftigt. Erschwerend in diesem Fall kamen sog. "Betriebsferien" hinzu. Das Urteil in Leitsätzen:

1. Ist der Arbeitnehmer infolge krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit daran gehindert, seinen Urlaub bis zum Ende des Urlaubsjahres zu nehmen, kann der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub - bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit - unter besonderen Umständen mit Ablauf des 31. März des zweiten Folgejahres untergehen. Erkrankt der Arbeitnehmer erst im Verlaufe des Urlaubsjahres, erlischt der Anspruch grundsätzlich aber nur, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer durch Erfüllung seiner Mitwirkungsobliegenheiten rechtzeitig in die Lage versetzt hat, diesen Anspruch auszuüben (im Anschluss an BAG 31. Januar 2023 - 9 AZR 107/20 - Rn. 13 und 15).

2. Die Mitwirkungsobliegenheiten eines Arbeitgebers im Zusammenhang mit dem Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Erholungsurlaub umfassen auch den Hinweis auf vom Arbeitgeber geplante Betriebsferien.

3. Weist ein Arbeitgeber nicht rechtzeitig vor dem Beginn der Erkrankung eines Arbeitnehmers auf geplante Betriebsferien hin, reduziert sich der Urlaubsanspruch - und ihm folgend der Urlaubsabgeltungsanspruch - grundsätzlich nicht um die Tage der Betriebsferien.

06.05.2024 MdC

Urlaubsanspruch bei Doppelarbeitsverhältnis

Das Bundesarbeitsgericht (Urteil v. 5.12.2023, Az. 9 AZR 230/22) hat entschieden, dass ein Arbeitnehmer, der nach einer rechtswidrigen Kündigung eine andere Beschäftigung annimmt, für den Zeitraum der Überschneidung beider Arbeitsverhältnisse ungeminderte Urlaubsansprüche gegenüber beiden Arbeitgebern hat. Der vom neuen Arbeitgeber gewährte Urlaub muss jedoch auf den Urlaubsanspruch gegen den alten Arbeitgeber angerechnet werden, um doppelte Urlaubsansprüche zu vermeiden. Die Anrechnung erfolgt kalenderjahresbezogen.

6.05.2024 MdC

Eingruppierungsfragen für Team- und Gruppenleitungen in kirchenrechtlichen Regelungen bzw. Tarifverträgen

Wie schwierig eine zutreffende Eingruppierung im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe sein kann, das zeigen zwei kirchenrechtliche Verfahren. In einem Urteilsverfahren des kirchlichen Arbeitsgerichts für die Bayerischen (Erz-)Diözesen (Urteil vom 29. März 2023, Az.: 2 MV 23/22) ging es um die Eingruppierung einer Teamleitung in einer Jugendhilfe-Außenwohngruppe nach Anlage 33 zu den Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR Caritas). Die Dienstgeberin begehrte in diesem Verfahren die Ersetzung der von der Mitarbeitervertretung verweigerten Zustimmung zur Eingruppierung einer Mitarbeiterin in Entgeltgruppe S 12. Die Mitarbeiterin ist als Teamleitung in einer Außenwohngruppe für Jugendliche tätig, die 60 % ihrer Arbeitszeit beansprucht. Die Mitarbeitervertretung hielt die Eingruppierung in Entgeltgruppe S 15 für zutreffend. Zu Recht, urteilte das Gericht und folgte damit der Mitarbeitervertretung. Die Tätigkeit der Teamleitung hebe sich mindestens zu einem Drittel durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus der Entgeltgruppe S 12 heraus. Die Teamleitung habe (in diesem Verfahren)  neben den bewohnerbezogenen Aufgaben auch mitarbeiterbezogene und organisatorische Aufgaben, die ein Wissen und Können erfordern, das die Anforderungen der Entgeltgruppe S 12 in beträchtlicher und gewichtiger Weise übersteigt. Die Tätigkeit der Teamleitung hat auch eine gesteigerte Bedeutung, da sie eine Außenwohngruppe eigenständig leitet und für die organisatorische Gestaltung und den pädagogischen Standard verantwortlich ist.

In einem anderen Verfahren, welches als Beschlussverfahren vor dem  Kirchengericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der evangelischen Landeskirche und Diakonie in Württemberg unter dem Az 1 AS 9/2022 D am 24. Juli 2023 geführt wurde,

ging es um die Eingruppierung einer Gruppenleiterin einer KiTa. Die Antragstellerin war in diesem Verfahren eine Dienststelle, die drei Kindertagesstätten betreibt. Der Streit ging nun darum, ob  die Mitarbeitervertretung die Zustimmung zur Eingruppierung der Beschäftigten  als Gruppenleiterin in die Entgeltgruppe S 8 b verweigern durfte. Die Mitarbeitervertretung sah hier nämlich sogar die Voraussetzungen der Entgeltgruppe S 9 gegeben. In diesem Fall gab das Gericht allerdings der Dienstgeberin Recht. Das Gericht führte aus, dass die Erzieherinnen in der Gruppe der Beschäftigten keine besonders schwierigen fachlichen Tätigkeiten ausübten, weil die Kita keine ausgewiesene Inklusionskindertagesstätte sei und der erforderliche Anteil von einem Drittel an behinderten Kindern nicht erreicht wird.

 Nach dem Wortlaut der Protokollerklärung zu den AVR BaWü müssten für die Heraushebung aus der Ausgangsentgeltgruppe S 8 a zwei Voraussetzungen vorliegen: Zum einen muss eine Tätigkeit in einer Integrationsgruppe vorliegen; zum anderen muss in der fraglichen Integrationsgruppe ein Anteil von mindestens einem Drittel von behinderten Menschen betreut werden. Die Dienstgeberin ist daher berechtigt, die Gruppenleiterin in die Entgeltgruppe S8b einzugruppieren.

VGH München u.a. zur Tarifbindung

In diesem Verfahren des VGH München geht es um einen Beschluss v. 13.02.2024, der unter dem Az. 12 BV 23.1331 gefasst wurde. Auf die ersten 4 Leitsätze wird hier nicht weiter eingegangen, da diese bereits für die Veröffentlichung im Blickpunkt Jugendhilfe vorgesehen sind. Die letzten beiden Leitsätze behandeln aber die weiteren Punkte, die nur in dieser Entscheidung zu Grunde lagen und Fragen zu Rahmenverträgen und Tarifbindung behandeln:

“5. Rahmenverträge im Sinne von § 78f SGB VIII werden nur dann Inhalt von Einzelvereinbarungen, wenn die Parteien die Regelungen des Rahmenvertrags ihrer Rechtsbeziehung zugrunde legen, indem sie auf die Bestimmungen des Rahmenvertrages mit entsprechendem Rechtsbindungswillen übereinstimmend Bezug nehmen, ihm beitreten oder seine Verbindlichkeit auf sonstige Weise (ausdrücklich) anerkennen (im Anschluss an BGH, U.v. 18.2.2021 – III ZR 175/19 –, ZKJ 2021, 241 – juris, Rn. 25).

6. Auch ohne Rückgriff auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSGE 113, 258; BSGE 120, 51) lässt sich den Gesetzesmaterialien zum prospektiven Entgeltsystem mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen, dass die Bezahlung tariflicher Entgelte stets als wirtschaftlich angemessen im Sinne von § 78b Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zu bewerten ist, ohne dass es insoweit einer weiteren Prüfung in Gestalt eines „externen Vergleichs“ bedarf; denn keine Einrichtung darf gezwungen werden, die von ihr erwarteten Leistungen unterhalb ihrer „Gestehungskosten“ anzubieten und zu erbringen (vgl. BT-Drs. 13/10330, S. 17; BT-Drs. 12/5510, S. 10).”

Damit werden zwei interessante Fragestellungen bearbeitet, die bislang -soweit ersichtlich-  nur unzureichend in der Rechtsprechung zum SGB VIII berücksichtigt worden sind.

Ausgangspunkt für die Entscheidung war das vor dem VG München unter dem Az. M 18 K 22.3190 geführte Verfahren, welches mit Urteil vom 21.06.2023 entschieden wurde und einen Schiedsbeschluss betraf, der im Rahmen der Entgeltfestsetzung die Personalkosten entsprechend den Regelungen des (in diesem Fall bayerischen) Rahmenvertrages nach § 78f SGB VIII festlegte. Das Verwaltungsgericht stellte jedoch fest, dass der Jugendhilfeträger diesem Rahmenvertrag nicht beigetreten sei und der Einrichtungsträger deshalb bei der Kalkulation der Personalkosten nicht an den Rahemnvertrag gebunden sei. Das VG München überließ im Ursprungsverfahren die wichtige Frage, ob die Bezahlung von tariflichen Entgelten grundsätzlich immer als wirtschaftlich angemessen zu werten ist, allerdings der Schiedsstelle. So habe die Schiedsstelle auch dann, wenn die Einrichtung nicht an den Rahmenvertrag gebunden sei, die nach ihrem Tarif  verhandelten Personalkosten zwar zu berücksichtigen, das Gesamtentgelt jedoch zwingend im Rahmen eines anschließenden externen Vergleichs zu prüfen und daraufhin ein Gesamtentgelt festzusetzen. Letztendlich, so das VG München, müsse die Schiedsstelle im Übrigen auch nicht über alle Kostenpositionen der Kalkulationsgrundlage entscheiden, sondern könne auch ein Gesamtentgelt festsetzen.

Der VGH München bestätigte nun in diesen Punkten die Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Zur Frage des Beitritts zu einem Rahmenvertrag führte der VGH aus, dass Rahmenverträgen gemäß § 78f SGB VIII im Unterschied zu den Rahmenverträgen im Sozialhilfe- und Pflegeversicherungsrecht keine Allgemeinverbindlichkeit zukomme. Die Landesrahmenverträge besitzen für den öffentlichen Jugendhilfeträger und die Einrichtungsträger anlässlich der Vereinbarungsverhandlungen nach §§ 78b, 78c SGB VIII lediglich empfehlenden Charakter und werden deshalb nur dann Inhalt der Einzelvereinbarungen, wenn die Parteien die Regelungen des Rahmenvertrags ihrer Rechtsbeziehung zugrunde legen, indem sie auf die Bestimmungen des Rahmenvertrags mit entsprechendem Rechtsbindungswillen übereinstimmend Bezug nehmen, ihm beitreten oder seine Verbindlichkeit auf sonstige Weise (ausdrücklich) anerkennen. Auch aus der Bevollmächtigung des Trägerverbandes zum Abschluss einer Vereinbarung nach § 78b Abs. 1 SGB VIII könne auf einen Beitritt zum Rahmenvertrag nicht geschlossen werden, ebenso wenig aus der Ermächtigung des jeweiligen Trägerverbandes zum Abschluss eines Rahmenvertrages mit dem Spitzenverband der Gegenseite. Zuletzt führte der VGH zu dieser Frage aus, dass ungeachtet dessen der Rahmenvertrag in diesem Fall auch unter dem Gesichtspunkt eines unzulässigen „Vertrages zu Lasten Dritter“ – der Träger der einzelnen Einrichtungen – keine Verbindlichkeit beanspruchen könne,  weil dieser sie – entgegen den Grundprinzipien des prospektiven Entgeltsystems (§ 78d Abs. 1 SGB VIII) – dazu zwänge, die von ihnen erwarteten Leistungen entgegen dem sie im Außenverhältnis bindenden Tarifvertrag unterhalb ihrer eigenen „Gestehungskosten“ anzubieten und zu erbringen.

Mit dieser weitestgehend das VG bestätigenden Auffassung dürfte für den SGB VIII-Bereich zwar nunmehr geklärt sein, dass die Landesrahmenverträge gem. § 78f SGB VIII nur empfehlenden Charakter haben - aber nicht, wie ein Träger, gewollt oder ungewollt, diesem Vertrag beitreten kann – zumindest nicht in Detailfragen. Tritt beispielsweise ein Träger durch eine entsprechende Erklärung bei und wird im Verlauf der Zeit der Rahmenvertrag verändert, so müsste aus Sicht des Verfassers stets ein “neuer” Beitritt erfolgen, da Rahmenverträge keine Normverträge sind und auch keine Bindungswirkung wie z.B. Tarifverträge entfalten. Zudem könnten die entgeltverhandelnden Parteien ja durchaus im Rahmen der Vertragsfreiheit auch einzelne Bestandteile des Vertrages in Bezug nehmen. Eine Verpflichtung, den gesamten Rahmenvertrag anzuwenden, lässt sich jedenfalls nicht herleiten.

Für viele Träger war die Frage, ob und wie es denn in diesem Verfahren mit der Tarifbindung aussehe, noch erheblich praxisrelevanter.

Zwar hatte bereits die Vorinstanz die Anerkennung der Tarifbindung hervorgehoben (s.o.), aber das Gesamtentgelt unter der zwingenden Voraussetzung eines externen Vergleichs in den Kompetenzbereich der Schiedsstelle gelegt. Dem trat der VGH hier entschieden entgegen in dem er ausführte:

„…diese Ausführungen sind zwar im Grundsatz zutreffend, da die Schiedsstelle aufgrund des Fehlens entsprechender gesetzlicher Vorgaben ihr Prüf- und Entscheidungsprogramm zu § 78b Abs. 2 und § 78c Abs. 2 SGB VIII selbstständig bestimmt und sich insoweit auch an der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts orientieren darf (aber nicht orientieren muss). Gleichwohl bedarf es eines solchen Rückgriffs (auf einen externen Vergleich, Anm. d. Verf.)  – anders als das Verwaltungsgericht meint – von vornherein nicht, da sich bereits den Materialien zum prospektiven Entgeltsystem mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen lässt, dass keine Einrichtung gezwungen werden darf, die von ihr erwarteten Leistungen unterhalb ihrer „Gestehungskosten“ anzubieten und zu erbringen (vgl. BT-Drs. 13/10330, S. 17; BT-Drs. 12/5510, S. 10; siehe auch BVerwG, U.v. 01.12.1998 – 5 C 17/97 –, BVerwGE 108, 47 – juris, Rn. 23). Schon allein deshalb erweist sich die Bezahlung tariflicher Entgelte stets als wirtschaftlich angemessen im Sinne von § 78b Abs. 2 Satz 1 SGB VIII, ohne dass es insoweit – entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts – noch einer Prüfung in Gestalt eines „externen Vergleichs“ bedarf. Vielmehr wird die Einschätzungsprärogative der Schiedsstelle insoweit durch die zwingenden Vorgaben des prospektiven Entgeltrechts begrenzt.“

 

Dieser Entscheidung ist unbedingt zuzustimmen, da alle Fragen des externen Vergleichs, insbesondere in Bezug auf Vergütungsstrukturen, Tarifpolitik, Besetzungskonzepte etc. in der Praxis kaum lösbar gewesen wären.

Im Ergebnis bedeutet die Entscheidung, dass selbst dann, wenn eine Schiedsstelle einen externen Vergleich durchführen will, die Anerkennung der Tarifbindung maßgeblich ist und folglich „herausgerechnet“ werden müsste. Auch das wird Folgeentscheiungen produzieren, die aber allemal besser zu händeln sind, wie die grundsätzliche Frage zur Tarifanerkennung. Hinsichtlich der Bindung an einen Rahmenvertrag dürfte dagegen noch nicht das letzte Wort gesprochen sein.

Neben dieser Entscheidung fasste der VGH zwei weitere Beschlüsse zu ähnlich gelagerten Themen, die ebenfalls im kommenden Blickpunkt Jugendhilfe besprochen werden.

Was die 3 obergerichtlichen Entscheidungen verbindet, ist die weitgehende Delegation der Entscheiudngskompetenz an die Schiedsstellen – zumindest was die Fragen Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit angeht. Den Schiedsstellen wird hier eine enorme Sach- und Entscheidungskompetenz zugewiesen, die man nun vor dem Hintergrund der jeweiligen personellen und sachlichen Ausstattung bewerten muss. Sollten die Schiedsstellen z.B. eigene Bewertungsmaßstäbe entwickeln müssen, braucht es auch dafür ausreichende Ressourcen, die m.E. zumindest derzeit noch nicht vorhanden sind. Hier besteht Handlungsbedarf.

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Arbeitgeberverband privater Träger
der K
inder- und Jugendhilfe e.V.

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